Im Bistro der Fleischerei Bernhardt riecht es nach Jägerschnitzel und Sauerkraut. Freundlich grüßt Jean Bernhardt die Dame hinter dem Tresen, eines seiner Mädels. In den Geschäftsräumen der Oschatzer Straße 25 bis 27 wird gebrüht, gekocht und verkauft. „Manche denken“, sagt der Chef, „wir holen die Würste aus der Verpackung und legen sie in die Theke.“ Dabei wird in seinem Betrieb alles von Hand gemacht. Und das in der vierten Generation.
Jean Bernhardt ist mit dem Beruf des Fleischers groß geworden und steht damit in bester Familientradition. Die Räume, in denen ab 1918 sein Urgroßvater Richard sein Geschäft eröffnete, wurden 1865 bereits als Fleischereibetrieb angelegt. Das, erzählt Jean Bernhardt, fand ein Freund im Stadtarchiv heraus. Gottlöber hieß der Fleischhauer, der als letzter königlicher Hoflieferant mit seinen Würsten so manches adlige Maul stopfte.
Hinter dem Laden und dem Bistro befindet sich in einem gesonderten Gebäude die Küche, wo das angelieferte Fleisch zerteilt und verarbeitet wird. Hier brühen Würstchen und dampfen Spanferkel im Räucherofen. „Bei uns ist alles Handwerk“, sagt Jean nicht ohne Stolz. Er übernahm die Fleischerei 1998 von seinem Vater Klaus.
Morgens um fünf Uhr beginnt sein Tag. Würstchen herstellen, Fleisch schneiden, Salate bereiten. Mittags gibt es ein Stündchen Pause, danach steht er nicht selten hinter dem Ladentisch. „Ich verkaufe gerne“, sagt er lachend. Noch öfter trifft man dort ’seine Mädels‘ an. Zum Verkäuferinnenteam gehört auch seine Frau Sandy. Vor kurzem ging eine langjährige Mitarbeiterin in Rente, erzählt sie. Das fühlte sich an, als ginge jemand aus der Familie.
Als kleiner Junge, erinnert sich Jean, war das Arbeiterviertel Pieschen wesentlich belebter als heute. „Auf dem Gehsteig hatte man da kaum Platz.“ Jeden Tag um 13 Uhr war er der ‚Ladenschließer‘ und schloss für die zweistündige Mittagspause ab. Frühstück gab es gemeinsam mit Oma, Opa, den Gesellen und Verkäuferinnen in einer großen Stube. „Für mich spielte sich alles in der Firma ab.“ Ähnlich geht es seinem Spross Hans heute, der morgens auf dem Weg zur Schule die Mitarbeiter in der Fleischerwerkstatt grüßt.
2004 stand der Fortbestand der Traditionsfirma auf der Kippe. Innerhalb von zwei Monaten brannte es gleich zweimal. Beim ersten Mal waren die Bernhardts privat, beim zweiten geschäftlich betroffen. Das richtete nicht nur materiell traumatische Schäden an. „Das ganze Weihnachtsgeschäft ging flöten.“ Rauch und Ruß machten über eine Tonne Fleisch und Wurst zunichte. „Wir hatten zwei Monate geschlossen und verkauften aus einem kleinen Wagen heraus. Aber wir haben immer gesagt, wir schaffen das“, erzählt Jean. Der Betrieb rappelte sich wieder, mit viel Bangen und harter Arbeit.
Nun ist benachbart zum Verkaufsraum das Bistro fertig gestellt und das nächste Projekt wartet schon. Der Tresen soll erweitert werden. „Ich will, dass es interessant ist für die Leute“, sagt Jean. Mehr Spezialitäten möchten er und seine Mädels anbieten, dazu noch Joghurt, Milch, Käse und andere Molkereiprodukte. Bei seinen Waren ist ihm Regionalität wichtig. „Es ist bei uns natürlich etwas teurer als im Discounter. Dafür sind die Sachen nicht durch die halbe Republik gefahren.“
Wünsche für die Zukunft? Dass die Menschen bewusster einkaufen und sein Handwerk respektieren. Und etwas experimentierfreudiger werden. „Am Wochenende sind Schnitzel, Gulasch und Kotelett die Klassiker“, sagt Jean. Dabei gäbe es noch so viel auszuprobieren.
Fleischerei, Bistro und Partyservice Bernhardt
Oschatzer Straße 25 bis 27
Montag Ruhetag, Dienstag bis Freitag 6 bis 18 Uhr, Sonnabend 7 bis 12 Uhr
4 thoughts on “Traditionsfleischerei Bernhardt: Der Chef hat neue Pläne”
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Ich bin auch ab und an dort essen, und am Geschmack gibt es auch wirklich fast nie was auszusetzen, aber wenn man über Regionalität und „handgemacht“ philosophiert, dann ist dass das gute Recht des Fleischers, zur Objektivität gehört dann aber auch die unangenehme Wahrheit, dass fast jedes angebotene Essen dort als Beigabe die Zutat „Geschmacksverstärker“ führt, wenn man sich das Kleingedruckte ansieht, was neben der Essenausgabe hängt.
Dieser Umstand ist unschön und da stellt sich mir die Frage, wie es um ein Handwerk bestellt ist, welches um einen gutschmeckenden Mittagstisch anzubieten auf Glutamat zurück greifen muss?
Ich brauche dieses Zeug zum Beispiel für meinen Gulasch nicht, auch nicht für die Solianka etc..
Es wäre wirklich schön, wenn man im Jahre 2017 endlich mal von dieser Maggiwürze wegkommt, dafür würde ich dann auch paar Cent mehr zahlen.
Ich mag ja Philine ihre Beiträge, Danke :)
Vielen Dank, für die aktuelle News! :)
Lieber Vincent, das mag ja alles sein, aber 90% der anderen Gäste würde was fehlen und die würden auch nicht mehr bezahlen wollen. Und Kochen ist kein Handwerk! Wir sind bei der IHK! Aber auch selbst mit Maggi kann man Essen per Handmachen und das sogar Regional und ich setz noch ein drauf Saisonal! Mal eine Frage machen sie sich auch so viele Gedanken was sie sich für Creme ins Gesicht schmieren oder mit was für Farbstoffen ihre Kleidung gefärbt wird? Sollten sie mal machen, sie wären erstaunt was da so los ist und die gehören zum Handwerk! Aber an wenn wenden Sie sich dann? Und dann noch eigene Preisvorschläge zu machen! Ein paar Cent mehr? Kochen Sie doch bitte selbst!
Gruß Katrin (Gastronomin), ich gehe gern zu Bernhardt!