Am 30. Juni 1897 versammelten sich im Sitzungssaal des sechs Jahre zuvor eingeweihten Rathauses zu Pieschen die Spitzen der Verwaltungen Dresdens sowie die der Trachenberger und Pieschener Gemeindevertretungen. In der offiziellen Einladung wurde mitgeteilt: „Das Königliche Ministerium des Innern hat die Einbezirkung von Pieschen und Trachenberge in den Gemeindebezirk Dresden genehmigt.“ Damit waren die fast vierjährigen Bemühungen der beiden Landgemeinden um Vereinigung mit der Landeshauptstadt am letzten Tag des Monats Juni vor 120 Jahren doch noch erfolgreich.
Anders als rund zehn Jahre später im Falle Trachau beantragte Pieschen selbst schon 1893 seine Einverleibung und machte als Gründe unter anderem das ständige Steigen der Steuerlast und der an die Gemeindeverwaltung erhobenen Ansprüche, das rasche Anwachsen der Bevölkerung, die Mangelhaftigkeit der Gruben- und Straßenreinigung und die Unzulänglichkeit der Armenversorgung geltend.
Der Rat der Stadt Dresden nahm aber 1893 dem Antrag gegenüber eine abwartende Haltung ein, da noch beträchtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Einverleibung Strehlens am 1. Januar 1892 mit 1.502 Einwohnern und Striesens am 1. Juli 1892 mit immerhin 10.820 Einwohnern bewältigt werden mussten. Zum anderen rückte auch die Leistungsfähigkeit des Dresdner Wasserwerkes – am 1. Mai 1876 hatte die Stadt das Wasserwerk „Saloppe“ übernommen – an ihre Grenzen.
Erst als mit Tolkewitz für das Jahr 1898 ein zweites Werk zur Sicherung der Dresdner Wasserversorgung in Aussicht stand, beschloss der städtische Rat am 3. November 1895, einen zwölfköpfigen Ausschuss mit der Prüfung der Einverleibungsfrage Pieschens zu beauftragen. Dieser Ausschuss empfahl, nach gründlichem Abwägen der Vor- und Nachteile, dem Rat die Einverleibung Pieschens und Trachenberges. Trachenberge stand durch einen gemeinsamen Schulbezirk sowie gemeinsame Kirchen- und Standesamtverbände in mehrfacher Beziehung zu Pieschen.
Die Ausschussmitglieder gingen davon aus, dass die unmittelbare Angrenzung bebauter Pieschener Ortsteile an die dicht besiedelte Leipziger Vorstadt ebenso für die Einverleibung sprächen wie der Umstand, dass in beiden Gemeinden „ausgedehntes Bauland für Fabriken“ vorhanden wäre. Darauf könnten die mehr und mehr wegen hoher Boden- und Grundstückspreise aus der Stadt verdrängten industriellen Unternehmen bauen. Bei einer Einverleibung werde ihre Steuerkraft der Stadt erhalten. Zudem käme das Gelände der Trachenberge für neue städtische Kranken- und Wohltätigkeitsanstalten in Betracht. Schon jetzt wäre das Kinderhospital der Neu- und Antonstadt hier angesiedelt. Auch werde demnächst das Grundstück des Marienhofes durch den Neubau eines Findelhauses und einer Kinderpflegeanstalt weiter ausgenutzt.
Der auf Grund dieser Empfehlung vom Verfassungsausschuss aufgestellte Entwurf eines Ortsgesetzes über die Vereinigung von Pieschen und Trachenberge mit der Stadt fand nach vier Beratungen auch die Zustimmung der Vertreter beider Landgemeinden. Die Beanstandung der Staatsregierung zur „Inaussichtnahme der Einverleibung schon am 1. Januar 1897“ konnte in der Weise korrigiert werden, dass ein Kompromiss gefunden und die Übernahme erst am 30. Juni 1897 im Rathaus Pieschen vollzogen wurde.
Dieser Termin in der Jahresmitte war aber von Bedingungen abhängig gemacht worden, denen sich die Gemeinden zu unterwerfen hatten. So erteilte zum Beispiel der Rat der Stadt die Genehmigung für die Gemeindehaushaltspläne für das gesamte Jahr 1897. Auch der Grundstücksankauf und –verkauf, die Begründung von Beamten und Bediensteten in Pieschen und Trachenberge sowie deren Gehaltserhöhung bedurfte für 1897 der Zustimmung des städtischen Kollegiums. Diese und weitere Bedingungen wurden letztlich als Übergangsbestimmung im Entwurf des Ortsgesetzes aufgenommen, dem Rat der Stadt zum Beschluss vorgelegt und an die Staatsregierung weitergeleitet.
Am 30. Juni 1897, vor 120 Jahren, 11 Uhr vormittags, vollzog sich schließlich im Rathaus zu Pieschen der feierliche Akt der nach Dresden tretenden Beamten von Pieschen und Trachenberge.
Neben dem Oberbürgermeister Dresdens, dem Geheimen Finanzrat Beutler, nahmen Bürgermeister Nake und die Stadträte Dr. Teichmann, Dr. Lotz, Dr. Körner, Friedrich, Schröter, Fischer und Lungwitz Aufstellung. Die beiden Gemeinden wurden durch den Vorstand Franz Gustav Lemke (Pieschen) und den Gemeindeältesten August Zerasi (Trachenberge) vertreten. Von der königlichen Stadtbehörde waren von Burgsdorff (Amtshauptmann Dresden-Neustadt), Le Maistre (Polizeipräsident) und Fink (Bezirksschulinspektion) anwesend und die Vertreter des Schulvorstandes von Pieschen und die Repräsentanten der St. Markuskirche ebenfalls.
„Die Selbständigkeit, die eigene Existenz“, so führte der damalige Oberbürgermeister Dr. Otto Beutler in seiner Ansprache aus, „gehen wohl einerseits für die Gemeinden verloren, aber das Bürgerrecht, was sie alle erhalten, ist auch ein großer Gewinn“.
Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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