Die von 1929 bis 1932 errichtete und im umgangssprachlichen Gebrauch „Hans-Richter-Siedlung“ genannte Großsiedlung Trachau ist ein bedeutendes Baudenkmal der Neuen Sachlichkeit und gehört zu den Höhepunkten der Architekturgeschichte des letzten Jahrhunderts. Ab 1934 wurde die Bebauungskonzeption grundsätzlich verändert. Die Häuser in der Siedlung gehören heute zur Wohnungsbaugenossenschaft Trachau-Nord.
In der Einführung seiner 2012 veröffentlichten Publikation „Die Großsiedlung Dresden-Trachau – Zur Baugeschichte einer Wohnungsbaugenossenschaft“ schreibt der 1929 geborene und heute im Stadtteil Gruna lebende Architekturhistoriker Karl-Heinz Löwel: „Im Jahre 1925 wurde durch das Stadtplanungsamt der Stadt Dresden der erste Entwurf zu einer Großsiedlung im Stadtteil Dresden-Trachau […] erarbeitet mit dem Ziel, gesunde und bezahlbare Wohnungen zu bauen. Auf der Grundlage des dritten überarbeiteten Bebauungsplanes wurden ab 1928 […] vier Bauträger bestimmt und drei renommierte Architekten mit der Planung der Wohnbauten beauftragt.“
1929 war auf bisher unbebautem Areal mit den Baumaßnahmen begonnen worden. Genaue Daten vom ersten Spatenstich und von Richtfesten sind nicht bekannt.
An der Planung und Ausführung der Großsiedlung waren als Bauträger die Gemeinnützige Wohnungs- und Heimstättengesellschaft für Arbeiter, Angestellte und Beamte (GEWOG), der Allgemeine Sächsische Siedlerverband (ASSV), die Gemeinnützige Wohnungsbau-Aktiengesellschaft Dresden (GEWOBAG), die BAUHÜTTE Dresden und als Architekten Hans Richter (1882-1971), Hans Waloschek (1899-1985) sowie die Architektenfirma Schilling & Graebner beteiligt. Letztere entwarfen die Wohnzeile längs der Aachener Straße.
Die von 1908 bis zum Verbot durch den NS-Staat 1933 erscheinende „Dresdner Volkszeitung“ hatte am 29. Juli 1929 unter „Neuzeitlicher Wohnungsbau in Dresden“ hierzu berichtet:
„… In diesem Jahr werden 250 Wohnungen auf dem großen Gelände zwischen Industrie- und Schützenhofstraße, Aachener- und Geblerstraße erstellt. Das ganze Gelände wird nach der Fertigstellung 2.000 Wohnungen zählen, die zu fast gleichen Teilen von der GEWOG und von der GEWOBAG erstellt werden. Die Bauzeit für die gesamte Siedlung ist auf drei Jahre berechnet. Auch Einfamilienhäuser für den ASSV werden errichtet, so 58 an der Schützenhofstraße, während weitere 80 im nächsten Jahr zur Ausführung kommen. Die GEWOG beginnt in nächster Zeit mit dem Bau ihrer vorerst geplanten 250 Wohnungen. Sie werden bei normalem Verlauf im März, spätestens im April 1930 bezugsfertig sein“.
Ende des Jahres 1932 waren etwa 65 Prozent der Wohnungen fertiggestellt. Weitere Baumaßnahmen wurden von den Vertretern des NS-Regimes auf der Grundlage des „Erlaß des Ministeriums des Innern, betr. Heimatschutz im Bauwesen“ vom 10. August 1934 abrupt unterbrochen.
Darin heißt es: „Das Land Sachsen ist vorangegangen, durch Erlaß eines Heimatschutzgesetzes seine Denkmale, insbesondere seine Bauwerke, vor Verfall und Verunstaltung zu bewahren.“
Der Schutz der Heimat bleibe einseitig und unvollkommen, wenn er sein Augenmerk nicht auch auf die unmittelbare Gegenwart richte und die Entstehung von unerfreulichen Bauwerken und Ortsbildern verhindere. Und weiter:
„Der neue deutsche Volksgeist soll sich in klaren Bauformen, in zweckmäßiger Raumgestaltung und schlichtem Schmuck widerspiegeln. Die seelenlose ‚moderne Sachlichkeit‘ […] ist nicht minder zu verwerfen wie eine verwinkelte falsche Romantik mit kitschigem Zierrat. Der Nachwelt soll nicht bezeugt werden, daß der verbildete oder verwilderte Geschmack des einzelnen Volksgenossen sich auch im neuen Deutschland ungehindert austoben durfte.“
Hans Richter und Hans Waloschek, die beiden maßgeblichen Architekten, wurden entlassen. Erst 1934/35 konnten nach Überarbeitung der Bauunterlagen durch andere Architekten weitere Wohnbauten geplant und errichtet werden.
Und was den Namen „Hans-Richter-Siedlung“ betrifft, so war und ist er noch heute ein Identifikationsbegriff für die Bewohner der am 5. März 1994 gegründeten Wohnungsgenossenschaft Trachau-Nord (WGTN).
In den spärlichen Beschreibungen der zwar bereits in der DDR unter Denkmalschutz gestellten Siedlung war lediglich der aus dem nordböhmischen Königswalde (heute Království ) stammende Architekt Hans Richter als geistiger Vater der städtebaulich bedeutsamen Siedlungsanlage genannt worden. Selbst der anerkannter Dresdner Kunsthistoriker Fritz Löffler (1899-1988), der sich große Verdienste um die Erhaltung architektonischer Denkmäler der Elbestadt erworben hatte, wusste es nicht anders.
Übrigens hat Hans Richter auch in Pieschen Spuren hinterlassen. Nach seinen Entwürfen entstand in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre für die GEWOBAG eine moderne, heutzutage „Arno-Lade-Block“ genannte, Wohnanlage mit Geschäften, Fernheizwerk und Zentralwäscherei.
Hans Richters Gesamtwerk, er wohnte seit 1936 auf der Semperstraße Nr.15, wurde während der Bombenangriffe im Februar 1945 vollständig vernichtet. Nach kurzem Aufenthalt in seinem Geburtsort bezog er 1946 eine Wohnung auf der Heynathstraße Nr.9 in Striesen. Die letzte Ruhestätte fand der 1971 verstorbene Architekt auf dem Johannisfriedhof in Tolkewitz. Sein Grab ist nicht mehr vorhanden.
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