Brendler’s Geschichten: Das Schulhaus an der Leisniger Straße steht seit 112 Jahren

Die Geschichte des Schulhauses Leisniger Straße Nr. 76 nahm ihren Anfang, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die 2. Katholische Bezirksschule an der Jordanstraße Nr. 7 in der Äußeren Neustadt mit 1060 Schülern weit überfüllt war und demzufolge der Katholische Schulvorstand Dresden am 23. Januar 1901 bei der Königlichen Bezirksschulinspektion den Bau eines neuen Schulhauses in der Vorstadt Pieschen beantragte.

Straßenkarte 1903

Standorte der Schule (grün) und der Kirche (rot) – Kartenausschnitt 1903. Quelle: Archiv K. Brendler

Nachdem die Stadt diesem Bauvorhaben zugestimmt hatte, erwarb der Katholische Schulvorstand in der Leisniger Straße ein 3.346 Quadratmeter großes Grundstück, auf dem das Schulhaus mit Turnhalle und Spielplatz nach Entwürfen des Architekten und Baumeisters J. Louis Geyer (Dresden-Südvorstadt) und unter Leitung des Baumeisters Franz Löbmann (Pirnaische Vorstadt) errichtet wurde.

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He/Ro in Tante Ju am 9. Januar


Am 15. Juni 1904 erfolgte in Anwesenheit katholischer, evangelischer und städtischer Behörden, der Lehrerschaft, der Schulkinder und der katholischen Gemeinde durch den katholischen Pfarrer von Pieschen die Weihe des Grundsteins für das neue Schulhaus. Neun Monate später, Ende März 1905, war der Bau der 5. Katholischen Bezirksschule, so der zukünftige Name, vollendet.

5 katholische bezirksschule

Die 5. Katholische Bezirksschule in der Leisniger Straße um 1915 Foto: Archiv K. Brendler

Fast 350 Jungen und Mädchen nahmen am 3. April 1905 vom neuen Schulhaus Besitz, in dem sich außer 16 Klassenräumen, den Direktoren-, Lehrer-, Beratungs- und Lehrmittelzimmern auch ein Kochschulraum befand. Die Aula wurde zunächst von der katholischen Kirchenbehörde gemietet, um darin Veranstaltungen der 1904 gegründeten selbständigen Pfarrgemeinde St. Joseph durchführen zu können. Erst mit der Einweihung der im neoromanischen Stil erbauten Pieschener St. Joseph-Kirche im Oktober 1910 stand die Aula ausschließlich der Schule zur Verfügung.

Bis zum Einzug in das neue Schulhaus fand ab April 1903 der Unterricht im Nachbarhaus Leisniger Straße Nr.74 statt. Der jährliche Mietzins für die sechs sogenannten Filialklassen betrug 3.900 Mark. Das Haus wurde, wie eine Reihe anderer in Pieschen und in der Leipziger Vorstadt auch, beim letzten anglo-amerikanischen Bombenangriff am 17. April 1945 zerstört.

Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges stellte der Katholische Schulvorstand Dresden den kleinen Kochschulraum in der 5. Katholischen Bezirksschule zur Einrichtung einer Volksküche für Kriegerfrauen zur Verfügung. Am 21. September 1914 wurde er als 47. Volksküche eröffnet. In einer undatierten Schrift, die der 1917 zum Direktor der Schule berufene Oberlehrer Richard Wittig verfasst und mit „Die 64. Kriegs-Volksküche zu Dresden-N.“ überschrieben hatte, heißt es unter anderem:

Volkskueche

Das Essen wurde in den letzten beiden Kriegsjahren auch an Arme, Arbeitslose und Kinderreiche als Freiportionen ausgegeben. Foto: Archiv K. Brendler

„Als das erste Mal gekocht wurde, es gab Reis mit Rindfleisch, erschienen zwei Frauen und holten zusammen fünf Portionen ab. Die Tageskasse betrug 50 Pfennig. Doch bald stieg die Zahl auf 15, 40, 100 Portionen. Bis zum April 1916 hat sich die Essenausgabe beständig zwischen 100 und 150 Portionen pro Tag bewegt.[…] Als die längere Dauer des Krieges immer mehr Männer an die Front rief und immer mehr Frauen Männerarbeit in der Kriegsindustrie leisten mussten, richtete die Stadt Dresden Volksküchen für Jedermann ein. Am 26. April 1916 wurde die 47. Volksküche geschlossen und statt ihrer im Schulhaus Leisniger Straße die 64. Volksküche Dresden eröffnet. […] Am 10. Dezember 1917 konnte die millionste Portion ausgegeben werden, und mit Ostern 1918 hat sie seit ihrem Bestehen 1.750 000 Portionen Essen hergestellt.“

Da Volksküchen auch während der Nachkriegsjahre und der Weltwirtschaftskrise zu den sozialen Einrichtungen der Stadt gehörten, wurde die im Schulhaus Leisniger Straße erst 1934 aufgelöst.

Im Verlauf des Jahres 1919 waren in Dresden wichtige Entscheidungen im Hinblick auf die Vereinheitlichung des städtischen Volksschulwesens sowie den Wegfall der Unterscheidung von Bezirks- und Bürgerschulen getroffen und im „Übergangsgesetz für das Volksschulwesen“ vom Juli 1919 festgeschrieben worden. Noch vor dessen Verabschiedung wurden auf Anordnung des sächsischen Kultusministeriums alle Bürger- und Bezirksschulen in Volksschulen umgewandelt und so benannt. Das betraf auch die 5. Katholische Bezirksschule.

Zu den Folgen der durch den NS-Staat 1936/37 eingeleiteten Umgestaltung des deutschen Bildungswesens gehörte auch die Aufhebung der katholischen Schulen. Das Schulhaus Leisniger Straße bezogen fortan die 5. Mädchenberufsschule Dresden sowie ein Städtisches Kindertagesheim.

3. klasse 47/48

Schüler einer dritten Klasse der 56. Grundschule Trachau (Schuljahr 1947/48) auf dem Hof des Schulhauses Leisniger Straße. Im Hintergrund ist der Lagerplatz der damaligen Firma Max Reißig zu sehen, auf dem zurzeit das neue Schulhaus nebst Turnhalle entsteht. Quelle: Archiv Brendler

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und bis 1953 wurde das Schulhaus zunächst von der 56. Grundschule aus Trachau genutzt. Im Sommer 1950 konnte aber schon die Pieschener Hilfsschule, die sich seit 1907 in der heutigen 26. Grundschule (Osterbergstraße Nr. 22) befand, in Teilbereiche und ab 1953 in das gesamte Schulhaus einziehen. Hier hat sie, 1997 durch das Sächsische Kultusministerium als Schule für Lernförderung „A.S. Makarenko“ bestätigt, nun schon 67 Jahre ihr Domizil. Der Name des sowjetischen Pädagogen und Schriftstellers Anton Semjonowitsch Makarenko (1888-1939) wurde der Einrichtung 1966 verliehen.

schulhaus und kirche

Schulhaus und Kirche in einer Aufnahme von 2007. Foto K. Brendler

Am Ende noch eine kurze Anmerkung zu den Namen der Straße und des Platzes: Die Leisniger Straße trug seit 1889 den Namen Ringstraße. Im Zuge der Eingemeindung des stadtnahen Arbeitervorortes Pieschen am 1. Juli 1897 nach Dresden wurde sie nach der sächsischen Stadt Leisnig benannt. Da sie den am 26. Oktober 1880 feierlich eingeweihten Moltkeplatz (Helmuth Graf von Moltke, 1800 – 1891, preußischer Militär) quert, erhielt selbiger 1897 den Namen Leisniger Platz.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.

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