Quaas Schule 2006

Brendler’s Geschichten: Aus dem Tagebuch der Edelgard Quaas

„Der Kindergarten ist in einer sehr schönen und großen Schule untergebracht, die in einer herrlichen Gegend Trachaus gelegen ist.“ Mit diesem Satz beginnt „Mein Tagebuch aus meiner Praxiszeit im Kindergarten“, das Edelgard Quaas im Sommer 1946 über ihre Zeit in Trachau geschrieben hat. Entdeckt wurde dieses stadtteilhistorische Kleinod vor einem Jahr von Wolfgang Wick auf dem SZ-Trödelmarkt am Haus der Presse in Dresden. Wick ist Vorsitzender des Vereins zur Dokumentation der DDR-Kultur, wohnt in Königs Wusterhausen und hat die Aufzeichnungen auch gleich erstanden.

Edelgard Quaas war, wie sei schreibt, „mit ihrer Kameradin Erika“, vom 17. Juni 1946 bis zum 27. Juli 1946 im Trachauer Kindergarten der Fräulein Wackwitz zu einem sechswöchige Praktikum. Die „sehr schöne und große Schule“ war das nach Entwürfen des Dresdner Stadtbaurates Hans Erlwein (1872-1914) im Oktober 1911 eröffnete Schulhaus Cottbuser Straße Nr.34. Dort standen dem Kindergarten zwei helle und freundliche Zimmer, ausgestattet mit kleinen Tischen und Stühlen, zur Verfügung. Das war möglich geworden, weil das seit 1943 als Wehrmachtslazarett genutzte Schulhaus Anfang Mai 1945 von der Roten Armee besetzt, aber im Herbst desselben Jahres für den Unterricht wieder freigegeben wurde.

Quaas Kindergarten

Die fast 40 Kinder wurden im Juni/Juli 1946 von der Leiterin, einer Kindergärtnerin und von Edelgard Quaas und ihrer Freundin Erika betreut. Foto: Archiv W. Wick

Über den Tag des Beginns ihrer Praxiszeit schreibt die etwa achtzehnjährige Edelgard Quaas: „Unsere erste Arbeit war Möbel abwischen. In dieser Zeit kamen auch die Kinder. Als eine Anzahl beisammen war, holte die Kindergärtnerin Gartengeräte, einige Spielsachen, wie Reifen und Springseil, die Waschbecken sowie Handtücher heran. Jedes Kind erhielt etwas zum Tragen, denn wir wollten in den der Schule gegenüberliegenden Garten gehen.“

„Zum Garten“, bis 1945 war es der 1930 übergebene Schulgarten für die 56. und 40. Volksschule, „…gehörte auch ein großer Rasenplatz“, so Edelgard Quaas, „…auf dem die Kinder ausgelassen spielen können, vor allem lockt sie natürlich der Sandkasten.“

Quaas Schulgarten

Das Foto aus dem Jahr 1934 zeigt im hinteren Teil der Bildmitte den Schulgarten. Foto: Archiv H. Huhle

Auf dem Foto aus dem Jahr 1934 ist im Hintergrund die Wohnvilla der Firma „Ernst Schrader, Bremsbeläge Dresden- Trachau“ an der Industriestraße (seit 1962 Kindereinrichtung, heute integrative Kindertagesstätte „Albert Schweitzer“) zu sehen. Rechts erkennt man die ersten Pavillonbauten des Güntz-Altenheimes (heute Klinikum Dresden-Neustadt). Die Bebauung des Lichtenbergweges erfolgte ab 1934, den Namen des Physikers und Schriftstellers Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) erhielt er am 7.März 1935.

Doch zurück zu den Aufzeichnungen der Praktikantin. In ihrer vorletzten Praxiswoche, so hält Edelgard Quaas im Tagebuch fest, habe im Kindergarten wegen des bevorstehenden Umzugs in das Jugendheim im Schützenhof eine gewisse Unruhe geherrscht. Die Schule musste geräumt werden, weil in ihr die 1.Sowjetische Mittelschule eingerichtet wurde. „Am 13. Juli 1946 packten wir die Spielsachen zusammen und schafften sie mit einer großen Knabenklasse samt Kindermöbel ins Jugendheim auf den Schützenhof. Zwei Tage später richteten wir uns dort ein!“

Quaas Jugendheim

Bewegte Geschichte: Baracke eines Fremdarbeiterlagers, danach eines Umsiedlerheims, ab 1946 kurzzeitig Kindergarten und jetzt Verwaltungsgebäude. Foto: K. Brendler

Das hier abgebildete Gebäude gehörte zum 1941 eingerichteten Fremdarbeiterlager der Zeiß-Ikon AG und von August 1945 bis März 1946 zu einem Dresdner Umsiedlerlager. Es ist heute Verwaltungsgebäude des überbetrieblichen Ausbildungszentrums Dresden des Berufsförderungswerk Bau Sachsen e.V. Neuländer Straße.

Während der Praxiszeit galt Edelgard Quaas‘ besondere Aufmerksamkeit sechs Kindern, die sie tagtäglich genau beobachtete, deren Verhalten sie zu ergründen versuchte und das Ergebnis im „Tagebuch“ zu Papier brachte. Fast alle, bis auf die Irene von der Kaditzer Leuckartstraße, waren in Trachau zu Hause, und für alle war es das letzte Kindergartenjahr, denn im September wurden sie Schulkinder.

„Ich hoffe, dass sich von diesen damals sechsjährigen Kindern noch jemand an seine Zeit auf der Cottbuser Straße erinnert“, hatte Wolfgang Wick gesagt, als er mir das Tagebuch leihweise überließ, damit ich auf „Spurensuche“ gehen konnte. Über die Tagebuchschreiberin und ihre „Kameradin Erika“, die Leiterin Fräulein Wackwitz sowie über den Verbleib der sechs Kinder konnte ich nur bruchstückhaft etwas in Erfahrung bringen. Einer, er wohnt irgendwo in den alten Bundesländern, war vor zwei Jahren an seiner ehemaligen Schule zu Besuch, hatte aber keine Adresse hinterlassen und ein anderer, im nahen Radebeul ist er zu Hause, wollte das alles „nicht an die große Glocke“ hängen.

Quaas und Irene

Wiedergefunden: Irene (als Kind links im Bild) ist in Kaditz geblieben und wohnt bis heute in der Leuckartstraße: Foto: K. Brendler / Montage: Frank Lehmann

Aber die Irene (siehe Foto) von der Leuckartstraße habe ich gefunden, und sie hat mir aus ihrem Leben erzählt. In Mannheim geboren, wegen der schweren alliierten Luftangriffe von dort mit ihrer Familie zu den Großeltern nach Kaditz verzogen, eingeschult 1946 an der 41. Grundschule in Mickten, die Klassen 2 bis 8 im Kaditzer Schulhaus am Riegelplatz absolviert, hatte sie 1954 im Städtischen Krankenhaus Dresden-Neustadt den Beruf der Krankenschwester erlernt.

An verschiedenen Krankenhäusern war sie im Laufe ihres Arbeitslebens beschäftigt gewesen, die längste Zeit im Pflegeheim Weinbergstraße in Trachenberge, das in Folge der Wiedervereinigung beider deutscher Staaten 1991 nach Klotzsche verlegt wurde. Hier war Irene bis zum Erreichen des Rentenalters u.a. als Oberschwester bzw. stellvertretende Leiterin tätig. Dass sie verheiratet war und Mutter von drei Kindern ist und noch viel mehr hat sie mir bei einem indischen Mittagsgericht in der Gaststätte „Rankeschlößchen“ erzählt. Dass das Rankeschlösschen darum jetzt „Taj Mahal“ heißt und die alten Mauern auch einiges zu erzählen hätten, ist aber schon wieder eine andere Geschichte.

Quaas Spielplatz 2017

Der Spielplatz in der Aachener Straße ist nach der Sanierung seit Juni 2017 wieder geöffnet. Foto: K. Brendler

Der ehemalige Schulgarten, kurzzeitig auch vom Kindergarten als Spielplatz genutzt, und vor zwanzig Jahren schon einmal neu gestaltet, wurde im Juni 2017 nach gründlicher Sanierung „im neuen Gewand“ durch Umweltbürgermeisterin Eva Jähnigen (Grüne) der Öffentlichkeit übergeben.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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