„Es gibt Mädchen, die haben noch nie einen Fußboden gewischt“, meint Jens Schmidt, Küchenchef im NH Hotel in der Hansastraße, etwas ungläubig. Das gelte sicher auch für Jungen und sei ihm tatsächlich bei den regelmäßigen Praktika von Schülerinnen und Schülern der 8. und 9. Klassen im Hotel begegnet. Eine Ausnahme, aber für Schmidt auch ein Hinweis darauf, dass der Bezug zur Praxis oft schon verloren gehe. Die Praktikanten können bei uns sehen „was früh um 7 Uhr in der Küche geschieht, welche Aufgaben eine Hausdame hat, wie der Empfang arbeitet und wieviel Technik im Haus im Einsatz ist“, beschreibt Schmidt den Inhalt des meist zweiwöchigen Praxiseinsatzes. Eine neue Erfahrung sei für viele auch der Umstand, einen ganzen Tag im Stehen zu verbringen. „Als Ausbildungsbetrieb ist es für uns schwer, Azubis zu finden. Wir wollen darum jede Gelegenheit nutzen, rechtzeitig unsere Berufsbilder vorzustellen“, sagt der Küchenchef. Auch auf die Eltern wolle man zugehen und für mehr Informationen sorgen. Es gebe genug Gründe, warum das Hotel jetzt eine Partnerschaftsvereinbarung mit der 9. Oberschule „Am Elbepark“ unterzeichnet habe. Auch die Dresdner Stadtentwässerung hat sich dazu entschlossen. Gemeinsam haben sie sich Anfang Juni in der Schule getroffen, um das Vorhaben schriftlich zu besiegeln.
„Wir wollen die Schüler gezielt bei ihrer Berufswahl unterstützen“, sagt Torsten Fiedler, Sprecher der Stadtentwässerung Dresden. So wolle das Unternehmen zum Beispiel bestimmte Fachthemen im Chemieunterricht mitgestalten und dabei das Schülerlabor in der Kläranlage Dresden-Kaditz zur Verfügung stellen. Auch Fiedler betont, dassdie Eltern mehr einbezogen werden sollen. Ein Elternabend werde sich speziell mit den Themen Berufsorientierung, Bewerbertraining und der Vorstellung der Ausbildungsberufe beschäftigen, kündigte er an. Die Stadtentwässerung hat mit der direkten Zusammenarbeit mit einer Schule bereits gute Erfahrungen gesammelt. „Wir konnten auf diesem Weg in den letzten Jahren Auszubildenden gewinnen“, betonte der Fiedler.
Mit einem Sommerfest, zu dem auch viele ehemalige Schüler und Lehrer eingeladen sind, feiert die 9. Oberschule am heutigen Mittwoch ihr 30jähriges Jubiläum. Um 17 Uhr sollen 99 Luftballons in den Himmel steigen, dann spielt die Schülerband, es gibt Sportwettbewerbe, die Theatergruppe tritt auf und auch der Lehrerchor gibt kurz vor dem Ende um 20 Uhr noch ein Ständchen.
Den Ausbau der Partnerschaften zwischen Schulen und Unternehmen treibt die IHK Dresden seit zwei Jahren intensiv voran. Sie hat auch die Kooperationsvereinbarung mit der 9. Oberschule angeschoben. „Es gibt derzeit 340 Ausbildungsberufe. Die können die Lehrer nicht alle kennen und beschreiben“, erläutert die zuständige Mitarbeiterin für Berufsorientierung, Franziska Morgenstern. Bausteine für ein praxisnahe Berufsorientierung seien zum Beispiel die Praktika für Schüler, aber auch für Lehrer, Unternehmensbesichtigungen, Bewerbertraining oder praxisnaher Fachunterricht. „Wir helfen gern bei der Anbahnung und Ausgestaltung entsprechender Kooperationen“, sagt die IHK-Expertin.
Die 9. Oberschule kooperiert bereits erfolgreich mit dem Elbepark und dem Großhändler Metro. Von den neuen Kontakten zur Stadtentwässerung und dem NH Hotel verspricht sich Ute Parr, stellvertretende Schulleiterin, noch mehr Vielfalt bei der Berufsorientierung für die Schülerinnen und Schüler. Ein schönes Beispiel dafür sei zum Beispiel der Kniggetag. Der finde im kommenden Jahr bereits zum vierten Mal statt und werde dann von den Fachleute aus dem NH Hotel unterstützt. Beim Kniggetag steht gutes Benehmen in verschiedenen Lebenssituationen im Mittelpunkt. Jede Klasse werde sich mit einem bestimmten Schwerpunkt beschäftigen, erläutert Ute Parr. So gehe es zum Beispiel um die Themen Respekt und Konfliktlösung, Fairness beim Spielen, ordentliches Auftreten beim Bewerbungsgespräch oder auch den Besuch einer Tanzstunde. „Wir wollen einen richtigen Restauranttisch eindecken. Dann können die jungen Leute lernen, wie und in welcher Reihenfolge man das Besteck benutzt. Wir zeigen auch, wie man richtig mit der Serviette umgeht und wie man sich den Mund abwischt“, kommentiert NH-Küchenchef Schmidt die Pläne für den Kniggetag. Und vielleicht wird ja hinterher für besondere Interessenten auch noch gezeigt, wie man den Fußboden wischt.
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