Die ersten Schritte im neuen Klassenzimmer, das erste Klingeln, das erste „Ich melde, die Klasse ist zum Unterricht bereit“. Für etwa 150 Schüler und 15 Lehrer war der 2. März 1987 nicht irgendein erster Schultag nach den Februarferien, sondern der aufregende Start an einem fremden Ort. Sie waren die ersten Nutzer der neugebauten 9. POS in der Lommatzscher Straße.
Heute wird das Gebäude 30 Jahre alt. Gefeiert wird aber erst im Sommer, kündigt Petra Stein an. Sie ist die Leiterin der 9. Oberschule „Am ElbePark“, wie die Schule heute heißt. Dann ist hoffentlich das Wetter schöner und für die Organisatoren bleibt noch ein bisschen mehr Vorbereitungszeit. Am 21. Juni findet ab 16 Uhr eine Feierstunde mit geladenen Gästen statt, unter denen ehemalige Lehrer und vielleicht auch die Architekten von damals sind. Im Schulhaus wird eine Ausstellung zu sehen sein, die die Schüler während der Projekttage gestalten. Ab etwa 17 Uhr sind dann alle Neugierigen zum großen Hoffest mit Schülerband eingeladen.
„Facelifting“ als Geburtstagspräsent
Ein Geschenk zum 30. gab es allerdings schon: Kurz vor ihrem runden Geburtstag wurde die Schule energetisch saniert. Das Dach ist erneuert, die Wände gedämmt, der Sockel abgedichtet. Das frühere Fassaden-Betongrau mit rotbraunen Keramikkacheln wich einem frischen Weiß mit gelben und bordeauxfarbenen Akzenten – mit etwas Phantasie kann man sogar eine 9 und „OS“ erkennen. Schulleiterin Stein freut sich über die Gestaltung und die Reaktionen: „Alle fragen, ob die Schule neu ist. War die schon immer hier?“, heiße es oft. Früher habe sich die Schule ja nicht vom Wohngebiet abgehoben.
Die Monate zwischen Mai 2015 und Herbst 2016 seien allerdings „eine schwierige Zeit“ gewesen, erinnert sich Stein. Eine Sanierung bei laufendem Schulbetrieb „ist anstrengend und oft nervig. Gefühlte 1.000 Bohrungen mussten die Arbeiter setzen, um die neue Fassade vor die alte zu hängen. Das schallt durch den Beton sehr laut“, erklärt sie und sieht dennoch einen großen Vorteil: „Eine Auslagerung des Schulbetriebes an einen anderen Standort ist uns erspart geblieben“.
Abgesehen vom rötlichen Betonfußboden der Flure und dem beige-braun gemusterten Linoleum in den Büros der Schulleitung erinnert auch im Innern der Schule nicht mehr viel an die DDR-Jahre, in denen das Gebäude errichtet wurde.
Dresdner Architekten entwickelten „Komplexschule“
Dabei war die neue Schule damals etwas ganz Besonderes in mehrfacher Hinsicht. Erstens, weil sie eine Neuentwicklung war. Zwar wurde 1984 schon eine gleichartige Schule im Neubaugebiet Bautzen-Gesundbrunnen eröffnet, allerdings noch ohne Turnhalle. Diese integrierten die Architekten erst bei der 9. POS.
Zweitens wegen des Baustein-Systems: Vier Gebäudeteile sind so an- und ineinandergeschoben, dass möglichst viel Licht die Räume erreicht, aber wenig Heizenergie verloren geht. Bei der neuen „Schulbaureihe 80“ gelangte man von einem zentralen Gebäudeteil in die „Bausteine“ für die Klassen 1 bis 4, für die fünften bis zehnten Klassen sowie in die Turnhalle. „Der Grundgedanke dieser Schule ist super“, findet Schulleiterin Stein, die übrigens nahezu seit der Eröffnung in der „9.“ unterrichtet. „Im kleinen Block die Kleinen, im großen die Großen. Außerdem sind die Klassenzimmer hell und die Gänge breit.“ Diese Vorzüge schätzten auch die Verantwortlichen zu DDR-Zeiten – weitere Schulen dieses Typs wurden Ende der 1980er noch in Berlin-Hellersdorf, in Neubrandenburg und an der Erdgas-Trasse in der Sowjetunion gebaut.
Drittens sollte die Schule auch den Bewohnern des angrenzenden Neubaugebietes dienen, das zwischen 1984 und 1986 hochgezogen wurde. Die Sporthalle verfügte beispielsweise über eine kleine Empore für Zuschauer, sodass man darin auch Wettkämpfe veranstalten, Feste feiern oder Theater spielen konnte.
Viertens wurde die neue „Komplexschule“ aus den gleichen Betonelementen errichtet, mit denen auch Wohnblöcke gebaut wurden. Dieses ehrgeizige Ziel hatten sich die Planer gesetzt. Und die kamen – fünftens – aus Dresden. Das etwa zehnköpfige Team um die Architekten Claudia Schrader, Wolfgang Steinbrück und Klausjürgen Schöler arbeitete beim VEB Projektierung im Wohnungsbaukombinat Dresden und hatte beispielsweise auch die modernen Bauten an der Hauptstraße entworfen. Der Dresdner Schulbauexperte Professor Helmut Trauzettel war bei der Konzeption beratend tätig.
In puncto Farbe setzten die Schul-Architekten übrigens mit Armeegrün und Rotorange Akzente an Türen und Wänden – nicht ahnend, dass die Schule später als besonders „rot“ bezeichnet werden würde. Die 9. POS war eine Russischschule, d. h. die Schüler lernten ab der dritten Klasse die Sprache des „Bruderlandes“. Zudem sei die neue Bildungseinrichtung streng geführt worden, und viele Lehrer hätten der SED angehört, erläutert Schulleiterin Stein. Inzwischen ist das längst Geschichte. 27 der 30 Jahre gehören in die Nachwendezeit.
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