Tina Baumann hat im vergangenen Jahr viele neue Nachbarn kennengelernt. „Neulich habe ich ein lange Leiter verborgt und mit einem Blumenstrauß als Dankeschön zurückbekommen“, erzählt sie. Andere wiederum hätten ihr Angebot genutzt und Grünpflanzen, die zum Verschenken im Fensterbrett standen, mitgenommen. Besonders gern erinnert sich Tina Baumann aber an ein Picknick an der Elbe mit etwa zwanzig ihr völlig unbekannten Menschen, die alle rings um die Leisniger Straße wohnen. „Wir haben uns auf der Plattform nebenan.de verabredet und es war ein tolles Treffen“, schwärmt sie noch heute.
Vor einem Jahr hat sie sich auf der Nachbarschaftsplattform registriert und meist positive Erfahrungen gemacht. „Mit gesichtslosen Menschen habe ich gar nichts am Hut“, sagt sie und lobt, dass hier die meisten registrierten Nutzer mit ihren Fotos zu sehen sind. Inzwischen ärgert sie sich manchmal, dass so viele Marktplatzangebote in ihrem Mailpostfach landen. „Schade, dass man bei den Mailbenachrichtigungen nicht unterscheiden kann zwischen den Beiträgen und den Verkaufsangeboten“, bedauert sie.
Auch Katrin aus der Weimarischen Straße fände eine solche Funktion sehr nützlich und hat sich auf nebenan.de auch so entsprechend geäußert. Dennoch ist sie begeisterte Nutzerin des jungen Online-Angebotes. „Ich habe endlich eine Laufgruppe gefunden. Und das ging sehr schnell und einfach“, sagt die junge Frau, die lieber in Gesellschaft als alleine joggt. Als Besitzerin eines Kleingartens ist sie außerdem an den vielen Tauschangeboten von Pflanzensamen und Gartenzubehör interessiert.
Die Nachbarschaftsplattform nebenan.de ist im Ortsamtsbereich Pieschen gleich vier Mal vertreten: Pieschen Süd, Pieschen Nord, Trachau und Mickten. „Wir streben eine optimale Größe von etwa 4.000 bis 5.000 Haushalten pro Nachbarschaft an“, erläutert nebenan.de-Mitgründerin Ina Brunk im Gespräch. Deutschlandweit seien seit dem Start von nebenan.de im Jahr 2015 rund 3.200 solche Nachbarschaften in 120 Städten entstanden. Wer sich anmeldet, muss seinen Klarnamen verwenden und die Adresse wird mit dem Ausweis verifiziert. Akzeptiert wird auch ein offizielles Anschreiben an die eigene Adresse, von dem der Nutzer eine Kopie an den nebenan.de-Service schickt. Erst nach Überprüfung wird der Account freigeschaltet.
„Wir wollen Menschen miteinander verbinden, die ohnehin schon sehr nah zusammen leben“, beschreibt Brunk den Anspruch des nach eigenen Angaben „größten sozialen Netzwerkes zum Aufbau und zur Pflege nachbarschaftlicher Beziehungen“. Und so würden die Nachbarschaften nur einige Straßen, niemals aber ganze Städte umfassen. Zugang hätten nur Menschen, die auch wirklich in der Nachbarschaft leben. Das werde mit der Adressüberprüfung auch garantiert. Was innerhalb der Nachbarschaft geschrieben werde, könne von außen niemand lesen.
Mit der Resonanz sind die nebenan.de-Gründer zufrieden. So haben sich allein in den vier Nachbarschaften im Ortsamt Pieschen, die alle im Mai 2016 ins Leben gerufen wurden, etwa 1.400 Einwohner angemeldet. Es wird getauscht, verabredet, verkauft und viel geholfen. Etliche Interessengruppen haben sich bereits gebildet – Ballsport, Bowling, Laufen, Chihuahua und Zwerge, Computerhilfe, Doppelkopf, Fotografie, Mädelstreffen und natürlich die Katzenfreunde. Die Einträge zeigen, dass viele Hinzugezogene die Plattform nutzen, um schnell einen Kontakt zu anderen Bewohnern in der Umgebung herzustellen.
Besonders beliebt sind inzwischen auch über die Plattform organisierte Hofflohmärkte. Mehr als einhundert Höfe hatten sich vor zwei Wochen in Berlin beteiligt. Am 24. September sind die ersten Hofflohmärkte in Mickten, Pieschen und Trachau geplant, verriet Ina Brunk. Bisher seien aber noch wenig Höfe angemeldet – in Pieschen Süd 3, in Mickten 2 und in Trachau einer. Hier hoffen die Organisatoren noch auf mehr Zuspruch. Sobald sich mehr als fünf Höfe angemeldet haben, würden die Organisatoren mit weiteren Informationsmaterial und Übersichtskarten unterstützt, verspricht Ina Brunk. Anmelden könne man sich dafür ganz einfach über nebenan.de/hofflohmärkte. Die Hofflohmärkte sollen helfen, neue Besitzer für nicht gebrauchte Dinge zu finden, erläutert Brunk. Außerdem würden sie dazu dienen, dass sich die Nachbarn besser kennen lernen.
Für diejenigen, die sich an den vielen Marktplatzangeboten stören, hat Ina Brunk noch eine Idee. „Wir wollen alle ermutigen, viel aktiver zu werden und eigene Vorschläge für dei Nachbarn zu unterbreiten. Dann würde die Zahl der Beiträge steigen. Es müsse ja nicht jedes Mal gleich eine neue Gruppe gegründet werden. Und wer sich wirklich an den Mails in seinem Postfach stört, könne diese Art der Benachrichtigung in seinen Profil-Einstellungen auch einfach abwählen.
Tina Baumann wird das vielleicht so machen. Sie schätzt das Nachbarschaftsnetzwerk aus einem ganz besonderen Grund. Hier habe sie den Wander-Matthias kennengelernt, sagt sie. „Er hat mir bei langen Wanderungen und Gesprächen über eine für mich sehr schwere Zeit hinweggeholfen.“
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