Es sind noch Flächen frei. Vier im Souterrain und Hochparterre des zentralen Gebäudes B, ein Raum von 54 Quadratmetern im Erdgeschoss von Turm B. Das Zentralwerk in der Riesaer Straße ist bereits Heimat für viele Künstler. Auch der Chaos-Computerclub oder ein Tanzstudio sind hier eingezogen. Andere, wie die Macher von Coloradio, siedeln gerade um und suchen den Kontakt zu Kunst, Kultur und Debatten. Bis zum Monatsende wollen sie mit einer Crowdfunding-Kampagne 7.500 Euro einsammeln, um den Ausbau des neuen Studios zu finanzieren. Mehr als die Hälfte der Summe ist bereits beisammen. Im Aufruf von Coloradio heißt es: „Wir brauchen in den neuen Räumen noch Wände, Verschalungen, Isolierung, Pinsel, Wandfarbe, Türen, Türklinken, Steckdosen…fade out“. Radiomacher eben.
„Eigenleistung müssen wir von allen Mietern verlangen“, erläutert André Hennig, der sich um die Öffentlichkeitsarbeit der Zentralwerker kümmert. Fußboden, Fenster, Heizung, Strom und alle anderen Kabel und Wasseranschluss seien in fast allen Atelierräumen vorhanden. Um den Innenausbau, die Malerarbeiten, Raumteiler und andere Einbauten müsse sich der Mieter kümmern. Das ist das Prinzip der Zentralwerk-Genossenschaftler. „Anders lassen sich langfristig preiswerte Mieten für die Kreativen nicht sichern“, begründet Hennig das Vorgehen.
Im Gebäude B, das die beiden sechsstöckigen Türme mit ihren Ateliers verbindet, wurde in den letzten Monaten ein neues Treppenhaus eingebaut. Früher gab es nur Zugänge von den Seiten. Auf den langen Fluren im Souterrain und im Hochparterre sieht man rechts und links die neuen Trockenbauwände zwischen den alten Betonwänden. Die Räume sind hoch. Es gibt überall Fußbodenheizung.
„Viele der etwa 40 Genossenschaftsmitglieder haben in den vergangenen zwei Jahren etliche Wochenenden auf der Baustelle verbracht. Bevor hier Fenster, neue Wände und das Treppenhaus eingebaut werden konnten, musste alles entkernt werden“, erzählt Hennig. In der dritten und vierten Etage entstehen 22 Wohnungen. Auch hier zählt die Eigenleistung, sagt Hennig und weiß, wovon er spricht. Er wird in der dritten Etage in eine Wohnung einziehen. „Weihnachten wollen wir hier feiern“, ist er zuversichtlich.
Bis zum Jahresende sollen im Haus B die meisten neuen Mieter eingezogen sein. Dann hat die Genossenschaft einen Riesenschritt in ihrem Projekt vollendet. Neben den 22 Wohnungen sind dann 66 Ateliers und Büros mit einer Gesamtfläche von 4.000 Quadratmetern entstanden.
Von fertig will jedoch niemand reden. Schließlich sind da noch der Ballsaal, der kleine Saal und das Kabinett. Und der Innenhof. Das, so beschreibt es Nadja Seidel, eine der fünf Aufsichtsräte der Genossenschaft, werde noch ein schwieriges Kapitel. Man könne den Hof nicht so einfach entsiegeln. Das Erdreich unter der betonierten Fläche müsste bis zu einer Tiefe von etwa einem Meter entsorgt und dann neu aufgefüllt werden. Das sei derzeit finanziell nicht zu stemmen. Hochbeete wären eine Alternative, um den Innenhof zu begrünen. Die junge Frau schleift gerade an einer Tür für die künftige Wohnung. Sie wird mit ihrer vierköpfigen Familie in der vierten Etage einziehen.
Doch zurück zum Ballsaal. Er ist bereits bekannt durch das Kulturpaten-Projekt. Die Genossenschaftler haben die Fläche in 2.500 gleiche Teile zerlegt und suchen jetzt Sponsoren für jedes einzelne Saalstück. 99 Euro muss man zahlen. Mehr als 200 Quadrate sind bereits mit den Namen der Spender versehen.
Über den kleinen Saal spannt sich der neue Dachstuhl. Nutzbar ist er nicht. Der große Saal schon. Hier laufen gerade die Proben für „La Bohème“ von Szene12. Die Akteure haben sich zum Ziel gesetzt, die Oper wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen und entdecken dafür bislang opernfremde Spielorte für ihre Projekte. Der Ballsaal des Zentralwerkes ist so ein Ort. Am 22. September wird hier die Premiere gefeiert.
Die 40 Zentralwerk-Genossenschaftler haben bisher zusammen gehalten. In Ausnahmen hätten sich die Lebenspläne so verändert, dass Leute ausgeschieden wären, meinte Hennig. Die Genossenschaft ist Pächter und Bauherr auf dem Gelände. Eigentümer ist die gemeinnützige Stiftung Trias, die die um 1940 erbauten Werksgebäude für 99 Jahre als Erbpacht weiter gegeben hat. So sei es gelungen, das gesamte Gelände dem Verwertungsdruck des Immobilienmarktes zu entziehen, sagt Hennig. Und nur darum könne man jetzt statt teurer Loftwohnungen den Kreativen und den Mietern langfristig ein bezahlbares Quartier für Beruf oder Familie oder beides anbieten.
Vielleicht wird Hennig selbst nicht nur hier wohnen, sondern künftig auch hier arbeiten. Er gehört zu einer Gruppe printbegeisterter Enthusiasten, die gerade die Zeitschrift 360 Gramm gründen. Wir wollen „kulturelle, gesellschaftliche und lokalpolitische Entwicklungen in Dresden, die über das aktuelle Tagesgeschehen hinausreichen oder einfach vergessen werden, recherchieren und aufschreiben“, erklärt Hennig. Wie Coloradio haben sie das Startkapital mit einer Crowdfunding-Kampagne eingeworben. Erfolgreich. Darauf hofft nun auch der künftige Zentralwerk-Mieter Coloradio.
Ein Kommentar zu “Zentralwerk: Endspurt für Ateliers und Wohnungen – Kulturpate für 99 Euro”
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Als Ihr das Projekt vorgestellt habt, habe ich nicht daran geglaubt. Ich grutuliere. Man muss schon verrückt sein dies durch zu ziehen. Geld kann ich nicht rüber werfen. Kann wenn Ihr wollt mal Honorarfrei bei Euch spielen. Alles gute . Ralf Herzog- 0172 3505172