Online vs. Offline Poker – ein ewiges Streitthema

Das ewige Streitthema: Pokern online oder Offline Poker im lokalen Kartenraum – was ist unterhaltsamer? Im Grunde ist die Poker-Community zweigeteilt. Online-Spieler blicken häufig anders aufs Spiel als reine Live-Akteure. Dies hängt auch mit den Unterschieden zusammen, die den Online-Kartenraum von der Spielbank trennen.

Online Poker: Mehr Hände in kürzerer Zeit

Was sich jeder Spieler bewusst machen sollte: Offline Poker ist deutlich langsamer und behäbiger als das schnelle Online Poker, daher findet dort mehr Action statt. Online absolvieren Spieler bis zu 100 Hände stündlich. Schnell-Fold-Formate wie Snap oder Zoom steigern das Pensum auf bis zu 250 Hände.

Beim Live Pokern ist der Dealer bereits mit 30 ausgeteilten Händen pro Stunde stark ausgelastet. Allerdings lässt sich das Spielvolumen online weiter anheben. Drei oder vier Tische zeitgleich zu bespielen, ist beinahe normal, sobald sich das Grundlagenwissen gefestigt
hat. Diesen Zahlen kann Live Poker nicht annähernd das Wasser reichen.

Online-Spieler sammeln in kürzester Zeit Erfahrungswerte, für die ein Live-Stratege einige Jahre spielen müsste. Die zusätzliche Spielpraxis führt üblicherweise zu einer überlegenen Strategie – geschickter als alles, was Live-Spieler sich überlegen können. Dies hängt mit einem weiteren Phänomen zusammen: Erfolgshungrige Poker-Asse tracken Hände online mit verschiedenen Tools. Was in einer Hand passiert ist, lässt sich auslesen und in einen sogenannten Solver einspeisen. Hierbei handelt es sich um Software, die mathematische Berechnungen anstellt, um die qualitativ besten Entscheidungen aufzuspüren. Zu Beginn fühlen sich einige Entscheidungen wenig intuitiv an. Wer aber versteht, warum der Solver handelt wie angegeben, wächst zu einem wesentlich stärkeren Spieler heran.

Dass Offline Poker kein Spielen mehrerer Tische erlauben würde, ist übrigens nicht ganz richtig. Profis wie Jason Mercier und Shaun Deeb haben gezeigt, dass Live Turniere im Grunde parallel spielbar sind. Dies ist jedoch eine schweißtreibende Angelegenheit und erfordert, zwischen den Händen den Platz zu wechseln. Multitaskern, also Menschen, die mehrerer Dinge gleichzeitig erledigen können, entgehen auf diese Weise zahlreiche Informationen, die sich online zumeist einfangen lassen, wenn aufmerksam gespielt wird.

Offline Poker: Tells in die Entscheidungsfindung einfließen lassen

In den lokalen Spielbanken schwört so mancher Kartenspieler auf die Fähigkeit, Tells bei seinen Gegnern zu erkennen. Tells beschreiben auffällige Verhaltensweisen des Gegenübers, nachdem dieser zum Beispiel am River All-In gegangen ist. Nicht immer ist die Körpersprache allerdings leicht lesbar. Ist der Gegner tatsächlich nervös? Oder soll dem Tell-Suchenden glauben gemacht werden, dass Nervosität zu erkennen wäre?

Vor allem trickreiche Spieler versuchen mit Reverse Tells zu täuschen. Der Bluff erstreckt sich also auch auf das, was abseits der Hand geschieht. Auf jeden Fall sollten Tells nicht überbewertet werden. Erfahrene Spieler raten davon ab, Entscheidungen vom Bauchgefühl oder dem, was man zu wissen glaubt, abhängig zu machen. Zu viele Fehler schleichen sich ein, wenn man meint, die Körpersprache anderer Spieler zuverlässig lesen zu können.

Beim Online Pokern sind Tells in geringerem Umfang zu beobachten. In der Regel betrifft dies Timing-Tells. Je nachdem, wie viel Zeit sich ein Spieler nimmt, ist die Handstärke zu bewerten. Schnelle Calls des Gegners deuten auf einen Draw hin. Wartet ein Spieler außerordentlich lange, um anschließend zu erhöhen, soll meist eine schwächere Hand suggeriert werden – obwohl das Gegenteil zutrifft. Online-Spieler sind meist weniger bedacht, Timing-Tells zu vermeiden.

Da Gegner bloß als Avatare am Tisch zu sehen sind, wähnt man sich unsichtbar. Was online jedoch funktioniert: Nach einem Bluff, also einer Täuschung, am River laut ausrufend die Aufgabe des Gegners einfordern. In der Spielbank würde derartiges Gebaren mindestens zweifelnde Blicke auf sich ziehen.

Verschiedene Poker Spiele online kostenlos ausprobieren

In lokalen Spielbanken werden in der Regel nur die Varianten Limit Texas Hold’em und Pot-Limit Omaha angeboten. Letzteres überwiegend nur an bestimmten Tagen, noch dazu nicht überall. Abseits einiger WSOP-Events sind Razz, Stud, Badugi und andere Poker Varianten schlicht nicht existent. Im Internet sieht dies anders aus. Exotische Varianten sind meist nur wenige Klicks entfernt. Zwar ist der Spielerpool mancher Poker Games ausgetrocknet, aber – dessen ungeachtet – ist es online wesentlich einfacher, über den eigenen Horizont zu blicken und neue Spiele zu finden.

Ohnehin ist das Spiel online – finanziell betrachtet – mit weniger Risiken verbunden. Poker ist grundsätzlich kostenlos spielbar. In Freerolls – Turniere ohne Teilnahmegebühr – erspielen sich viele Spieler zum ersten Mal eine Bankroll. Nicht selten gibt es die Möglichkeit, Einsätze mit Spielgeld zu tätigen. Vor allem bei den ersten Gehversuchen ist dies empfehlenswert, um ohne Druck die Regeln und den Spielablauf zu verinnerlichen. Alsbald sollte jedoch der Wechsel zum Spiel um echtes Geld erfolgen. Der Grund: Ohne Geldeinsatz agieren die Spieler häufig deutlich rücksichtsloser und unbedachter als im regulären Spiel. Auf diese Weise entsteht ein verfälschter Eindruck, was an den Tischen zu erwarten ist.

Das soziale Miteinander wird offline stärker betont

In den Spielbanken treffen die unterschiedlichsten Charaktere und Kulturen aufeinander. Soziale Schichten, die normalerweise nie ein Wort miteinander wechseln würden, lernen einander kennen. Online gilt dies ebenso. Allerdings geschieht dies unmerklich, da der Gegner nur als gesichtsloses Alter Ego zu sehen ist. Chats werden kaum benutzt, oder wurden bereits zusammengestrichen, da die Seiten kein Interesse haben, moderativ einzugreifen. Kurzum: Live ist das Miteinander – der soziale Aspekt – stärker ausgeprägt.

Der spaßige Charakter des Live-Spiels zieht zudem mehr Gelegenheitsspieler an, die gerade noch mit den Regeln vertraut sind. Deshalb gilt Offline Poker gemeinhin als profitabler. Online ist das Spielniveau stark erhöht, während in lokalen Casinos auch für weniger starke Spieler die Chance besteht, Gewinne einzufahren.

Beim Online Pokern gibt es gewisse Risiken

Unbedarftes Poker Spielen online birgt Sicherheitsrisiken, vor denen der Konterpart offline gefeit ist. Bots sind computergesteuerte Programme, die nach einem vorgegebenen Muster spielen. Das Spiel der meisten Bots ist nicht perfekt, aber ausreichend stark, um durchschnittlichen Spielern die Suppe zu versalzen. Ein weiteres Problem: Collusion – mehrere Spieler, die sich beispielsweise in
einem Turnier oder Sit & Go zusammentun. In den letzten Jahren geht außerdem die Angst vor RTA um. Real-Time Assistance bezeichnet Software, die automatisch die besten Entscheidungen austüftelt. Der Spieler muss diese nur noch händisch umsetzen – ohne jedwede Eigenleistung.

Poker Seiten treffen Sicherheitsmaßnahmen, um all diese Probleme in den Griff zu bekommen. Oftmals werden Betrüger enttarnt, betroffene Spieler entschädigt. Allerdings lässt sich ein Betrug online nie ganz ausschließen. Mit ansteigenden Blinds erhöht sich das Risiko, da der finanzielle Ertrag unehrliche Spieler magisch anzieht.

Im Übrigen ist die Problematik ernster zu nehmen als manche akzeptieren wollen. Der Poker-Profi Justin Bonomo hat in den 2000er Jahren etwa Multi-Accounting betrieben. Das heißt: Mit mehreren Accounts im gleichen Turnier gespielt. Dies bringt einen immensen Informationsvorteil mit sich. Zu Recht ist Bonomo online infolgedessen gesperrt worden. Inzwischen ist er allerdings ein hochdekorierter Profi, laut Hendon Mob der erfolgreichste Turnierspieler mit Preisgeldern von über 60 Millionen US-Dollar. Mangelnde Fähigkeiten müssen also nicht der Grund sein, warum ein Spieler schummelt. Vielfach liegt das Bestreben darin, die Gewinnerwartung zu maximieren – womöglich ist auch ein Irrglaube vorhanden, dass ohnehin jeder schummeln würde.

Online vs. Offline pokern – was ist besser?

Im Vergleich zwischen Online und Offline Poker sind auf beiden Seiten Stärken zu erkennen. An den Live-Tischen überwiegt das gesellschaftliche Miteinander, der Spaß am Pokern. Online wird hingegen im Eiltempo ein hohes Spielvermögen aufgebaut. Zudem ist es ein Leichtes, abseits der eingetretenen Pfade neue Spiele zu entdecken. Dies stärkt die Grundlagen weiter. Was besser ist, lässt sich schwerlich sagen. Wie so oft, hängt dies vom Spielertyp ab. Wer sich gern mit anderen Menschen umgibt, ist live besser aufgehoben. Gilt das Hauptinteresse der Strategie, wird diese online stärker abgebildet. Viele Hobby-Strategen und Profis kombinieren beides. Denn: Sogar
Online-Puristen träumen heimlich davon, eines Tages die Poker-Weltmeisterschaft in Las Vegas für sich zu entscheiden.

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