Bestattungskultur im Wandel – Wünsche rechtzeitig in der Familie klären

Vor sechs Jahren sorgte der Friedhofspfleger Jens Atmanspacher bei einer Podiumsdiskussion für Aufsehen. Er sprach vom Verfall der Bestattungskultur in Sachsen. Immer mehr Menschen würden hier in anonymen Massengräbern bestattet – denn nichts anderes seien die meisten Gemeinschaftsgräber. In diesem Zusammenhang diskutierte man damals auch über die Aufhebung des Friedhofszwangs. Wie hat sich die Lage in Sachsen seither entwickelt?

Wegzug und Abkehr von der Kirche

Nach Ende des zweiten Weltkrieges veränderte sich die Bestattungskultur in Sachsen beziehungsweise in ganz Ostdeutschland. Der damaligen DDR-Regierung war der Einfluss der Kirche ein Dorn im Auge. Aus ideologischen Gründen sah sich das kommunistische Regime gezwungen, die Religionsgemeinschaften zu verdrängen. Und das gelang ihm auch. Während 1945 noch über 90 Prozent der Ostdeutschen Kirchenmitglieder waren, zählten sich 1989 nur noch 25 Prozent dazu.

Bei den Bestattungen wurde aus verschiedenen Gründen der Trend zur Feuerbestattung unterstützt. Zum einen konnte man auf eine schon aus dem Kaiserreich herrührende Friedhofsreformbewegung zurückgreifen. Andererseits verstärkte die Mangelwirtschaft mit ihren fehlenden Ressourcen diesen Trend. Auch der Grabschmuck sollte sich dem Gleichheitsideal anpassen. Ziel war es, einheitliche Grabanlagen zu schaffen, auf denen es auch nach dem Tod keine Klassenunterschiede gab.

Auch wenn sich die Bestattungskultur unter dem Einfluss des SED-Regimes verändert hat, blieb eines gleich – die Anteilnahme von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten im Todesfall. Der starke Zusammenhalt in der Gesellschaft ging über den Tod hinaus und bewies sich auch bei der Trauerfeier.

Nach der Wende änderte sich das. Durch die vermehrte Abwanderung in den Westen lösten sich die engen Familien- und Gemeinschaftsstrukturen auf. Fremde Menschen zogen in die umliegenden Wohnungen ein. Nachbarn kennen sich heute kaum mehr untereinander. Familien waren aufgrund der unterschiedlichen Lebensräume auseinandergerissen. Immer mehr Menschen versterben ohne Angehörige und Freunde in ihrer Nähe. Das ist laut Friedhofspfleger Atmanspacher eine wichtige Ursache für den enormen Anstieg von anonymen Bestattungen. Die Familien haben keine Zeit oder Muße, sich um Grabstätten zu kümmern, die Hunderte von Kilometern weit entfernt liegen. Der Trauerkartenspezialist Meine-Kartenmanufaktur.de fand bei der Auswertung seiner Statistiken heraus, dass von ihren Kunden in Ostdeutschland weniger Einladungen für Trauerfeiern geordert werden als aus Westdeutschland. Natürlich kann daraus nicht der direkte Schluss gezogen werden, dass generell in Sachsen weniger aufwendige Trauerfeiern abgehalten werden. Aber interessant ist der Hinweis dennoch.

In Dresden finden jedes Jahr rund 5.600 Beerdigungen statt. Beinahe 50 Prozent der Verstorbenen werden in Gemeinschaftsgräbern bestattet. 27 Prozent aller Toten werden anonym zur letzten Ruhe gebettet.

Über 1.000 Friedhöfe für Konfessionslose

Aber wo werden eigentlich Menschen beerdigt, die sich keiner Religion zugehörig fühlen? Zahlreiche Friedhöfe in Sachsen gehören schließlich den Kirchen. Eine gute Lösung sind kommunale und städtische Begräbnisorte. Sie sind eine passende Ruhestätte für alle Menschen unabhängig von ihrer Konfession. Allerdings finden sich in Sachsen auch rund 1.000 kirchliche Friedhöfe, die neben den Christen auch Atheisten eine Grabstelle zur Verfügung stellen. Somit wird deutlich, dass die vielen Konfessionslosen in Sachsen kein grundsätzliches Problem damit haben, beerdigt zu werden. Die Möglichkeiten sind sowohl auf städtischen als auch kirchlichen Friedhöfen gegeben.

Eine weitere Frage ist die Bestattung von Angehörigen des Islams in Sachsen. Durch die gigantische Welle an muslimischen Flüchtlingen, die seit 2015 nach Europa kommen, steigt auch der Bedarf an passenden Grabstätten. Laut einer Studie aus dem Jahr 2017 stehen in Sachsen ausreichend Friedhöfe zur Verfügung, auf denen gemäß den strengen Vorschriften des Koran beerdigt werden kann. Insbesondere der Heidefriedhof in Dresden ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Auch Buddhisten finden dort seit 2016 ihre letzte Ruhe. Denn auf dem Heidefriedhof befindet sich die erste buddhistische Grabstätte ganz Ostdeutschlands.

Verschiedene Bestattungsarten möglich

Die Vorstellung, nach einem langen Leben in einem anonymen Massengrab zu enden, ist für viele Menschen und auch ihre Angehörigen schlimm. Es scheint auch nicht unbedingt natürlich zu sein. Ausgrabungen aus unterschiedlichsten Zeiten der Menschheitsgeschichte zeigen uns, dass häufig ein großer Aufwand um die Leichen betrieben wurde. Nicht jede Kultur investierte so viel Zeit wie die alten Ägypter, die ihre Toten mumifizierten. Aber dennoch lassen sich oft Grabbeigaben finden.

Ist es ein Armutszeugnis der Neuzeit, dass dem Tod kaum mehr Beachtung geschenkt wird? Dabei wären verschiedenste Szenarien nach dem Ableben denkbar. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, wie mit dem Leichnam verfahren wird. Entweder er wird begraben oder verbrannt. Für das Erdbegräbnis wird der Verstorbene in einen Sarg gebettet. Die Asche aus dem Krematorium kommt in eine Urne. Nach einer Feuerbestattung gibt es folgende Optionen:

  • Urnenbeisetzung
  • Waldbestattung
  • Baumbestattung
  • Seebestattung

Sowohl bei Wald-, Baum- und Seebestattungen wird die Asche in eine biologisch abbaubare Urne gefüllt. Diese wird entweder in einem Waldgebiet oder am Fuße eines Baumes begraben bzw. im Meer versenkt. Seebestattungen finden sowohl in Nord- und Ostsee als auch im Mittelmeer, Pazifik und Atlantik statt. Es besteht die Option, dass Angehörige auf dem Schiff anwesend sind, wenn die Urne dem Wasser übergeben wird.

Alternativ bieten manche Länder auch Luftbestattungen beispielsweise aus dem Helikopter sowie Diamantbestattungen an. Beide Formen sind in Sachsen allerdings nicht zugelassen. Dafür bieten sie mehrere Länder der EU an. Wichtig wäre es, rechtzeitig den Wunsch nach der Bestattungsart zu klären. Möglicherweise landen viele Verstorbene in einem anonymen Gemeinschaftsgrab und wollen das eigentlich überhaupt nicht. Gleichzeitig fehlen das Geld und die Zeit für die Grabpflege. Diesem Dilemma würden oftmals Gespräche mit der Familie ein Ende setzen. Ein Baumgrab braucht keinen Schmuck, dennoch kann ein Namensschild aus Holz angebracht werden. Auch eine Seebestattung zieht keinerlei Pflegeaufwand nach sich und ist zeitgleich etwas Besonderes.

Sowohl für den Sterbenden als auch seine Angehörigen ist es hilfreich und befreiend, die letzte Ruhestätte rechtzeitig zu klären. Gerade wenn die mangelnde Zeit für die Grabpflege das Argument für eine anonyme Bestattung ist, gibt es Auswege. Gärtnereien oder die Friedhofsverwaltungen übernehmen die Aufgabe gegen Entgelt. Auf einigen Friedhöfen wird auch die Option angeboten, dass die Angehörigen in der Anfangszeit nach dem Ablegen die letzte Ruhestätte selbst pflegen und später die Friedhofsangestellten diese Tätigkeit übernehmen. Der wichtigste Faktor, um eine ordentliche Bestattungskultur zurückzugewinnen ist die Kommunikation. Sowohl die Angehörigen untereinander sollten sich beraten, und zwar bevor der Todesfall eintritt. Genauso wäre es aber auch wichtig, die verschiedensten Bestattungsoptionen im Vorfeld genau zu klären. Wer alle Einzelheiten kennt, der kann die eigene Beerdigung und anschließende Grabpflege planen.

Forderung nach einem Gedenktag für Religionslose

In der katholischen Kirche gibt es Allerheiligen und Allerseelen, in der evangelischen Kirche den Totensonntag. An beiden Tagen wird der Verstorbenen gedacht. Für Konfessionslose wird bisher kein derartiges Gedenken geboten. Dies bemängeln sowohl die Bundesarbeitsgemeinschaft Trauerfeier als auch der Berufsverband der Trauerredner und Trauerrednerinnen. Vor allem vor dem Gedanken, dass immer mehr Menschen konfessionslos sind, hallt der Vorschlag vom Oktober letzten Jahres nach. Wenn die Bestattungskultur mehr und mehr zur Anonymität tendiert, dann kann ein einheitlicher Gedenktag für die Hinterbliebenen hilfreich sein. Egal, wo Kinder, Enkel, Geschwister, Eltern oder Großeltern der Verstorbenen sich befinden, sie könnten an einem solchen Gedenktag in großer Gemeinschaft ihre Liebsten ehren. Das spendet Trost und schenkt ein Gefühl der Verbundenheit.