Maria K. Morgenstern – Digitalfotografie
Beschreibung
Maria K. Morgenstern – Digitalfotografie
Ausstellung in der Werkgalerie
Vernissage: 17.01.2025, 19 Uhr
Einführung: Britta Sommermeyer, Musik: Buio, Void Blues Soundperformance
Maria K. Morgenstern – Climb high, sleep low
Climb high, sleep low – steige hoch hinaus, schlafe tief.
Dieser Ratschlag, Handlungsanweisung aus der Bergsteigerwelt ist hier das Motto von Maria Morgensterns Bildern. Es sind hohe Berge, die sich vor unseren Augen zeigen. Sie geben Perspektiven hoch hinaus. Sie wecken ein Kribbeln in uns, loszuklettern. Der Berg ist eine Naturgewalt, die wir nicht beherrschen. Es ist ein Mythos, ihn kontrollieren zu können. Wetter, vernebelte Sicht, unbegehbare Wege, plötzlich auftretende steile Abschnitte … es sind viele unvorhersehbare Dinge, die mit einer Bergbesteigung einhergehen.
Und auch das Leben selbst ist jeden Tag aufs Neue eine Herausforderung. Zwei Schritte hoch, einen zurück, um im Basislager zu schlafen – sleep low – und Erholung zu finden, um die Etappe am nächsten Tag zu schaffen, sich wieder ein Stück selbst zu überschätzen. Das Leben selbst birgt jeden Tag auf Neue viele Momente des Scheiterns. Sich immer wieder aufzurappeln und die Herausforderung anzunehmen, ist die Kunst. Der Prozess dieses Vorangehens, der Entwicklung steckt in Maria Morgensterns Bildern. Der immanente Perspektivwechsel. Die Frage an sich selbst, schaff ich es da hoch? Was verbirgt sich hinter der nächsten Ecke? Wie sieht es von da oben aus? Sehe ich dann Dinge, die ich von hier aus nicht erkennen kann? Und gleichzeitig das Risiko, dass man es nicht schafft, dass nichts entsteht – im Kontext auf die künstlerischen Arbeit bezogen, oder, wenn wir allgemeiner bleiben, im Alltag – dass der Tag anders wird als geplant, dass Dinge, die ich mir selbst vorgenommen habe, nicht erreiche, weil Unvorhergesehenes passiert ist, weil Menschen, auf die ich mich verlassen habe, nicht da waren für die Erreichung meines selbstgesteckten Ziels.
Wir können mehr vertrauen, wenn wir das Scheitern als Teil des Prozesses sehen, der zu jeder Entwicklung dazu gehört. Vertrauen, wenn ich loslaufe in Richtung Gipfel, zwischendurch vielleicht eine andere Richtung einschlage als geplant, weil es sein muss, dafür aber Dinge entdecke, von denen ich nicht wusste, dass es sie gibt und damit eine wichtige Erkenntnis erfahre.
In ihrem Atelier arbeitet Maria Morgenstern mit Tusche auf Papier, das auf dem Boden liegt. Die Tusche ist eine Materie, die auf das Papier fließt, in Wellen läuft die Flüssigkeit drüber, dringt ins Papier ein und läuft auch darüber hinaus auf und davon. Die wegfließende Flüssigkeit tupft sie mit Tüchern auf. Zu jeder entstehenden Tusche Zeichnung entsteht dadurch eine Serie von farbgetränkten Tüchern als Nebenprodukt des künstlerischen Prozesses. Sie stehen in Bezug zu den Zeichnungen und sind Bestandteil der Werke, auch wenn sie nicht in den Zeichnungen zu sehen sind. Indem sie sie fotografiert, macht sie ihre Bedeutung sichtbar und zeigt sie als Skulpturen, die sich immer wieder verändern, wie eine Naturgewalt, die sich je nach Lichtsituation und Schwerkraft verändern. Die Skulpturen werden dann in einer Serie von Digitalfotografien angeblitzt und konserviert, ihre Vergänglichkeit eingefroren und für immer fixiert.
Die Tücher sind ein Nebenprodukt in dem künstlerischen Kreislauf. In den Fotos sind sie das Hauptwerk und gehören als Bestandteil dazu. Und im Gegensatz zu den Tuschezeichnungen, die nicht korrigiert werden können, sind die entstehenden Landschaften flexibel, können immer wieder verändert werden
Zum Teil sind die Gebilde auch rot angeblitzt, damit es organisch wirkt, wie zum Beispiel das Herz mit den abgehenden Gefäßen.
Es sind alles Fotografien. Die kleinen Bilder sehen aus wie eine äußere Hülle mit einer Lichtquelle, die den Berg versorgt. Zum Beispiel auch das Herz, die Pumpe, die alles zusammenhält. Die Grenze zwischen innen und außen ist durchlässig.
Beim Betrachten kann man sich entscheiden, ob man sich einlässt auf den Sog in das Bild oder ob es eher abstoßend für sich selbst ist, man auf Distanz gehen muss. Manche Berge, Gebilde wirken auch wie Plastik. Ich habe kurz an einen schwarzen Müllsack gedacht, in dem ein großer Körper eingeschnürt ist. Etwas Unschönes, etwas das versteckt werden muss, etwas, mit dem man nichts zu tun haben möchte. Und doch haben die Formen hier etwas ästhetisches. Die geschwungenen Linien, der Glanz auf den beleuchteten Partien. Vor allem wundert man sich beim Betrachten über die Bilder. Eine Mischung aus Abschrecken und Faszination. Es ist ein Spiel mit dem Schönen und Hässlichen zusammen, ein Spiel mit der Form.
Manche Motive der Fotografien sind aus selbst hergestelltem Schleim, wie Kinder ihn gerne herstellen und beim Kneten in eine Entspannung kommen. Auf mich wirkt das Objekt wie eine Landschaft aus einer Phantasiewelt, Alice im Wunderland, Disney, Barbie … märchenhaft.
Besonders beeindruckend finde ich die Schneebilder. Sie sehen einen Eisberg. Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie die Kristalle, die die farbige Tusche in sich aufgenommen haben. Die Farbe ist eingedrungen und im inneren des Körpers verkapselt. Die Kanten reflektieren das Licht und glitzern im Blitzlicht. Hier trifft uns das Farbgewitter besonders kraftvoll. Gerade jetzt zum Jahresanfang im Januar können wir alle ein bisschen Farbe in unserem Alltag vertragen. Und hier steht die Vergänglichkeit natürlich noch stärker im Fokus. Schnee, der von draußen ins Atelier geholt, dort mit Tusche gefärbt und dann in verschiedenen Formen fotografiert wurde. Beim Prozesse des Schmelzens und Wegfließens dabei zu sein, mit der Kamera. Die Auswahl der hier gezeigten Werke ist eine Entscheidung für diesen Moment. Festgehalten die Performance, die Maria im Atelier erlebt, gelebt hat. Mit dem Foto sind auch wir dabei.
Maria Morgenstern war schon als Kind sehr kreativ und träumte sich gerne in andere Welten. Kunst als Ausdrucksmittel, das zu tun, was sie gerade beschäftigt, für das eigene Empfinden eine Sprache zu finden, war ihr Interesse, Kunst zu studieren. Was wäre gewesen, wenn? Dinge geschehen lassen, loszulassen, alles was andere sehen, als Teil des Ganzen zu begreifen und dies als Bereicherung wahrzunehmen, erfüllt ihre Kunst.
Text: Britta Sommermeyer
Veranstaltungsdauer
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