Der sächsische Komponist und Heimatdichter Franciscus Nagler (1873-1957), Ausgang des 19.Jahrhunderts Hilfslehrer an der 1873 erbauten Trachauer Dorfschule, beschrieb in seinem kleinen Büchlein „Zwischen Lenz und Sommer“ auch die Einwohner der Gemeinde. Von Beruf Gemüsebauern, seien sie Freunde froher Geselligkeit, säßen gern bei Bier und Kartenspiel und „machen überhaupt einen behäbigen Eindruck.“ Franciscus Nagler schlussfolgerte: „Das kommt wohl daher, dass ihr Erwerbszweig grünt und blüht.“
Zu den ortsansässigen Bauern gehörten damals auch die Gutsbesitzer Carl Andreas Klotzsche, Carl Gottlieb Rump, Johann Heinrich Trobisch, Carl Gottlob Frantze und Johann Gottlieb Traugott Mildner. Letztgenannter bekleidete von Juni 1873 bis Dezember 1879 das Amt des Trachauer Gemeindevorstandes. Zum Verständnis der Hinweis, dass entsprechend der am 1.Mai 1839 in Kraft getretenen sächsischen Landgemeindeordnung in den Dörfern Gemeinderäte zu wählen waren. Diese bestimmten aus ihren Reihen dann Vorstand und Älteste. Die Wahl zu einem ersten Trachauer Gemeinderat wurde am 29. Juni 1839 im Gasthof „Zum Lämmchen“ (heute Freie evangelische Gemeinde „Goldenes Lamm“) abgehalten.
Die Vorstände der Trachauer Gemeinderäte besaßen in der Regel ansehnliche Dreiseithöfe, ausgedehnte Felder und zumeist Weinberge. So auch Johann Gottlieb Traugott Mildner (1838-1906), der im August 1873 die Nachfolge des 1869 zum Vorstand gewählten und plötzlich verstorbenen Carl Friedrich Frantze (1834-1873) hatte antreten müssen. Dessen Amtszeit war eng mit dem Bau der ersten Trachauer Dorfschule verbunden, deren Vollendung er nicht mehr erleben konnte.
Gemeindevorstand Mildner, ein Sohn des 1800 in Kaditz geborenen und 1852 in Trachau verstorbenen Johann Georg Mildner und der Eva Rosine Rump (1811-1868), war mit Eva Rosina Klotzsche (1837-1904), einer Trachauer Gutsbesitzertochter, verheiratet. Sein Dreiseithof befand sich an der heutigen Straße Alttrachau Nr.31.
Als Mildner an die Spitze der Gemeinde trat, zählte das erstmals 1242 als Trachennowe urkundlich erwähnte Trachau fast 1.100 Einwohner. Im Dorf wurde eine stattliche Anzahl Groß- und Kleinvieh gehalten. Laut Liste der Viehzählung aus dem Jahre 1872 gab es 140 Kühe und Kälber, 30 Pferde und 124 Schweine, dazu Ziegen, Federvieh und über 24 Bienenstöcke.
Während Mildners Amtszeit öffneten im Juni 1875 die Gaststätte „Zum Schützenhof“ (heute „Sächsische Landeszentale für politische Bildung“), im Mai des Folgejahres die Gaststätte „Waldvilla“ (heute Standort Li-iL GmbH Arzneimittel, Arzneibäder) und vernichtete im Januar 1878 ein Feuer die Trachauer Bockwindmühle.
Am 10. Januar 1877 und am 30. Juli 1878 hatte er im Auftrag der Königlichen Amtshauptmannschaft als Vorsteher für den Wahlbezirk Trachau die Reichstagswahlen zu sichern, die beide Male in der Gastwirtschaft „Zum Goldenen Lamm“ stattfanden.
Aus seiner Feder stammen auch die am 1. Dezember 1873 in Kraft getretenen „Gemeinde-Statuten“ für Trachau. In sieben Paragrafen regelten sie das Zusammenleben der Gemeindemitglieder, schrieben Aufgaben und Pflichten fest und benannten die Konsequenzen bei deren Nichteinhaltung. Der erste Paragraf, wohl auch der wichtigste, hatte folgenden Wortlaut: „Jeder […] Nachbar ist Mitglied bei der Spritze, und wenn (an) in einem Orte Feuer entsteht, so hat er sich so schnell als möglich zur Spritze zu begeben; bei dem Feuer aber, soviel in seinen Kräften steht zur Tilgung desselben bei der Spritze zu arbeiten, und dass ihm unbefohlen, sei es vom Vorstande, Gerichtspersonen oder dem Spritzenmeister, gehörig zu respektieren; auch hat derselbe sich, sofern ein Gewitter im Verzuge ist, sofort zur Spritze zu begeben!“
Nach Ablauf seiner Amtszeit im Dezember 1878 wurde Mildner erneut gewählt. Er lehnte zwar ab, vertrat aber von 1886-1896 die Gemeinde Trachau im Vorstand der Kaditzer Kirche. Sein Nachfolger als Gemeindevorstand wurde Carl Gottlieb Rump (1844-1920), damals Eigentümer des heute nur noch teilweise erhaltenen Grundstücks Alttrachau Nr.20.
Dass die ortsansässigen Bauern nicht nur „Freunde froher Geselligkeit“ waren, sondern Jahr für Jahr ihrer schweren Arbeit in Haus, Hof und Feld nachgingen, kann den beiden von Johann Gottlieb Traugott Mildner für die Jahre 1879 bis 1895 angelegten sogenannten Hofbüchern entnommen werden. Bemerkungen zum Wetter und zu Lohnzahlungen an das Gesinde wurden von ihm ebenso notiert wie auch Hausrezepte für Mensch und Vieh. Einer Kuh, welche sich „verstopft hat“, helfe ein halber Liter Kornschnaps und zwei Esslöffel Schnupftabak. Für Verrenkungen und Verstauchungen des Menschen wäre eine Mixtur von je vier Esslöffeln Terpentinöl, Bleiextrakt und Kampferspiritus sowie einem Liter kaltes Wasser sehr gut.
Johann Gottlieb Traugott Mildner, dessen Tochter Anna Marie Emma (1872-1947) den aus Schönborn (heute Ortschaft und Ortsteil von Dresden) stammenden Julius August Pietzsch (1862-1905) geheiratet hatte, zog sich 1896 „aufs Altenteil“ zurück. Hofeigentümer wurden Mildners Schwiegersohn und nach ihm Enkel Bruno Alfred Pietzsch (1891-1937). Zwei Jahre nach dem Tode seiner Ehefrau Eva Rosina ist Mildner im achtundsechzigsten Lebensjahr verstorben. Auf dem Kaditzer Kirchfriedhof fanden beide ihre letzte Ruhe. Das Grab ist nicht mehr vorhanden.
Der Dreiseithof Mildners wurde in den 1950er Jahren (Seitengebäude und Scheune) und um 1978 (Gebäude an der Straße Alttrachau) abgetragen. Im Innenhof entstanden Garagen, das Hoftor wurde von den Autobesitzern fest verschlossen.
Im Jahre 2007 fand das Grundstück neue Eigentümer. Die Garagenruinen verschwanden. Das mit originalen Materialien gebaute Wohnhaus wurde so gestaltet, dass es sich in die Gesamtoptik der Siedlung einfügt. Angesichts dessen, ist man geneigt, den Dichter Friedrich Schiller (1759-1805) zu zitieren: „…es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“
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