Am 1. Januar 1903 wurde neben den rechtselbischen Vororten Mickten, Übigau und Trachau auch das erstmals 1269 urkundlich erwähnte Kaditz nach Dresden eingemeindet. Ein knappes Jahr später, am 11. November 1903, teilte der Rat der Haupt- und Residenzstadt mit, dass ab dem 1. Januar 1904 in den nunmehrigen Vorstädten alle Straßen und Wege “… wegen des Vorhandenseins gleichnamiger Straßen in anderen Teilen Dresdens umbenannt werden.“ In Kaditz betraf es insgesamt 18 Straßen.
So erhielten unter anderem die Oststraße den Namen des Historikers Leopold von Ranke (1795-1885), die Heinrichstraße den des Juristen und Hochschullehrers Karl Georg von Wächter (1797-1880) und die 1897 benannte Bahnstraße den des Kunstliebhabers, Mäzens und Goetheverehrers Johann Gottlob von Quandt.
Die unbefestigte, nur wenig mehr als 150 Meter lange Quandtstraße beginnt gegenüber der DVB-Haltestelle „S-Bahnhof Trachau West“ und endet am Sportplatz Geibelstraße, der Heim- und Spielstätte des SV Dresden-Neustadt 1950. An der parallel zur 1839 eröffneten ersten deutschen Ferneisenbahnstrecke Leipzig-Dresden entlangführenden Straße steht nur ein Gebäude.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts erbaut, ist es Wohn- und Firmensitz des am 9. Mai 1990 gegründeten Familienunternehmens „Fehmann-Reisen“. Außerdem befindet sich an der Quandtstraße auch der Haupteingang der ca. 10.700 Quadratmeter großen und seit 1925 bestehenden Anlage des Kaditzer „Kleingartenvereins Roscherstraße“ e.V.
Der Namensgeber Johann Gottlob von Quandt, am 9. April 1787 als Sohn eines Kaufmanns in Leipzig geboren, verlebte seine Kindheit auf dem Gut Wachau (bei Leipzig), wo er durch sein Elternhaus eine vielseitige Ausbildung erhielt. Nach ausgedehnten Studienreisen schloss er am 2. Juni 1819 in der Dorfkirche zu Plauen (bei Dresden) die Ehe mit der Clara Bianca geb. Meißner, verwitwete von Low (1790-1862).
„Auf der Hochzeitsreise nach Italien wurde ihr Haus in Rom zum Künstlertreffpunkt.“ Und weiter heißt es in den Unterlagen des „Quandt-Verein Dittersbach zur Förderung der Künste“: „Regelmäßige Gäste waren die Maler Friedrich Overbeck (1789-1869), Caroline Louise Seidler (1786-1866), Carl Christian Vogel von Vogelstein (1788-1868) u. v. m.“.
Im Jahre 1820 vom sächsischen König Friedrich August I. (1750-1827) in den Adelsstand erhoben, kaufte Johann Gottlob von Quandt im gleichen Jahr zwei Häuser in Dresden und nahm hier seinen Wohnsitz. In den Folgejahren wurde er eine der bedeutendsten Persönlichkeiten im Kunst- und Kulturleben der Elbestadt und sein Haus Große Klostergasse Nr. 4 am Neustädter Elbufer zum Mittelpunkt für Künstler und Kunstliebhaber.
Zu diesen gehörten auch die von ihm geförderten Maler Caspar David Friedrich (1774-1840), Ludwig Richter (1803-1884) und Julius Schnorr von Carolsfeld (1794-1872). Die beachtliche Kunstsammlung Johann Gottlob von Quandts, er war 1828 Mitbegründer des ersten Sächsischen Kunstvereins und bis 1833 dessen erster Vorsitzende, umfasste über 100 alte und neue Gemälde sowie etwa 2.000 Kupferstiche und Holzschnitte.
Johann Gottlob von Quandt erwarb 1829 das Rittergut Dittersbach und baute das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts errichtete, in der Folgezeit mehrfach veränderte und heute als Einzeldenkmal geschützte, Schloss zu seiner Sommerresidenz aus. Es wurde ein Ort des Zusammentreffens mit vielen seiner Dresdner Freunde, so auch mit dem Komponisten Richard Wagner (1813-1883), dem Bildhauer Ernst Rietschel (1804-1861), dem Baumeister Gottfried Semper (1893-1879) und dem Dichter Ludwig Tieck (1773-1853).
Von 1831 bis 1833 ließ Johann Gottlob von Quandt zu Ehren Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) auf dem „Schöne Höhe“ genannten 328 Meter hohen Berg bei Dittersbach vom Architekten Joseph Thürmer (1789-1833) das „Belvedere“ errichten. Am 19. Juni 1859 verstarb Johann Gottlob von Quandt in Dresden, beigesetzt wurde er auf dem Kirchhof in Dittersbach.
Das Grundanliegen des am 18. März1996 auf der „Schönen Höhe“ gegründeten „Quandt-Verein Dittersbach zur Förderung der Künste“ besteht darin, das hinterlassene kulturhistorische Erbe des Johann Gottlob von Quandt zu pflegen und zu bewahren.
Die Stadt Dresden, seit 1993 Eigentümer des Schlosses Dittersbach, hatte es nebst Schlosspark im Frühjahr 2004 an einen aus dem Stuttgarter Raum stammenden Unternehmer verkauft. Pläne zur zukünftigen Nutzung sind nicht bekannt. Gegenwärtig wird das Schloss schrittweise saniert. Gleiches, die Anmerkung sei dem Autor des Beitrages gestattet, stünde der Kaditzer Quandtstraße wohl auch gut zu Gesicht.
Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Stadtbezirk Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor war von 2007 bis 2023 Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und von 2002 bis 2022 Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.
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