Der Dresdner Ratsarchivar Prof. Dr. Otto Richter (1852-1922) schrieb in der 1904 herausgegebenen „Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 bis 1902“ zur Entwicklung des städtischen Gesundheitswesens u.a. das Folgende: „Die Erfahrung, dass bei unbemittelten Kranken der Erfolg der Heilung oft dadurch wieder zunichte wird, dass ihnen nach überstandener Krankheit keine genügende Erholung zum Sammeln frischer Kräfte gegönnt ist, hat seit einiger Zeit unter Menschenfreunden eine Bewegung zugunsten der Errichtung von Genesungshäusern ins Leben gerufen.“ In der Regel waren diese „Menschenfreunde“ angesehene und begüterte Dresdner Bürger, die einen Teil ihres privaten Vermögens für wohltätige Zwecke stifteten bzw. Grundstücke zur Errichtung von Genesungshäusern erwarben.
Oberhalb des Radebeuler Augustusweges und unmittelbar am Eingang zum Fiedlergrund entstanden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zwei solcher Häuser. Das „Fiedlerhaus“, ein Heim für „besserungsfähige lungenkranke Männer“, wurde am 11. August 1893 und das „Augustenhaus“, ein Genesungshaus für Frauen und Mädchen, „die […] der Erholung und Kräftigung bedürfen“, am 15. August 1902 eröffnet. Ein drittes Haus, in direkter Nähe zu den beiden anderen stehend, ist das „Ermelhaus“, weniger zur Genesung im engeren Sinne als vielmehr dazu bestimmt, „hilf- und ratlos erwachsenen Mädchen […] für die Zeit ihrer Niederkunft freie Heimstatt, Wartung und Pflege zu gewähren […].“
Das Ermelhaus trägt den Namen Friedrich Christian Ermels, eines zu seinen Lebzeiten geachteten Bürgers der Stadt Dresden. Er war der einzige Sohn des Bürgermeisters Dr. Friedrich August Ermel (1740-1812), der dieses Amt von 1787 bis 1809 bekleidete. Friedrich Christian Ermel, geboren 1773, studierter Jurist und während seiner Beamtenlaufbahn Gerichtsdirektor, verstarb kinderlos und unverheiratet 1826 in Dresden. In seinem Testament (Juni 1824 / Nachtrag Dezember 1825) setzte er einer „Wohlgemeinten Stiftung zur Einrichtung eines Gebär- und Fündelhaus“ ein Stiftungskapital von 14.000 Talern aus. Bei Verdoppelung des Grundstocks, so ließ er festschreiben, solle ein solches Haus in Dresden eingerichtet werden.
Nach dem Tode des 1860 verstorbenen Testamentsvollstreckers wandte sich Dr. theol. Otto Thenius (1801-1876), Sohn einer der Schwestern Ermels und Pastor der Dreikönigskirche, im Dezember 1867 an den Dresdner Rat. Er fragte an, wie und durch wen das auf eine große Summe angewachsene Stiftungskapital verwaltet werde. Er wies darauf hin, dass sein Onkel „keinen Palast habe bauen wollen“, sondern die Einrichtung eines geeigneten Hauses für außerehelich Gebärende verfügt habe.
Erst sechzehn Jahre danach (Mai 1883) beschloss der Rat zu Dresden, die „Wohlgemeinte Stiftung“ durch Bereitstellung eines Grundstückes in die Tat umzusetzen. Dem persönlichen Einsatz des Dresdner Oberbürgermeisters Dr. Paul Alfred Stübel war es vor allem zuzuschreiben, dass die letztwillige Verfügung des Dr. Friedrich Christian Ermel realisiert werden konnte.
In Bonn am Rhein, wo es damals eine nach Grundsätzen und Gedanken Ermels geartete Anstalt gab, fand Oberbürgermeister Dr. Stübel Muster und Vorbild für Dresden. Er gewann in der dort tätigen Friederike Hornstein auch die Vorsteherin für eine solche Einrichtung. Geboren am 19. September 1843 in Kassel und seit längerer Zeit im Bonner Versorgungshaus beschäftigt, wurde Friederike Hornstein vom Rat zu Dresden mit dem Auftrag berufen, Ermels Stiftung in die Tat umzusetzen und sie fürderhin auch zu leiten. In den unteren Stockwerken des Wohnhauses Chemnitzer Straße Nr. 20 (im Februar 1945 zerstört) fand das „Entbindungs- und Versorgungshaus“ 1885 ein erstes Domizil.
Ende Mai 1893 stellte der Dresdner Stadtrat den Antrag zum Neubau eines Hauses für die auf der Chemnitzer Straße bestehende „Wohlgemeinte Stiftung“. Als Bauland war das Oberlößnitzer Grundstück des Rentiers Braun und Teile eines angrenzenden Geländes vorgesehen. Nach Prüfung des Antrages durch den Regierungsbaumeister Karl Theodor Lehnert (1828-1910) und vom Gemeinderat Oberlößnitz befürwortet, wurde am 5. August 1893 die Baugenehmigung erteilt. Nach dem Entwurf des Dresdner Architekten Edmund Bräter (1855-1925) war der zweigeschossige im Schweizer Stil errichtete Neubau (Baukosten ca. 57.000 Mark) am 27. August 1894 fertiggestellt. Am 10. Oktober des gleichen Jahres fand die Eröffnung statt. Zu Ehren des Stifters Dr. Friedrich Christian Ermel erhielt das neue Haus seinen Namen.
In der Ausgabe vom 18. September 1913 würdigte die „Casseler Zeitung und Allgemeine“ das Lebenswerk der Friederike Holstein als ein „vollkommenes Bild dessen, was soziale Fürsorge heute zum Schutz und zur Rettung unbehüteter, hilfloser Frauen und Kinder anstrebt: Mutterschutz, Säuglingsfürsorge, Jugendschutz.“ Die Verdienste der bis 1903 im „Ermelhaus“ wirkenden, danach in den Ruhestand tretenden und wieder in ihren Geburtsort Kassel verziehenden Friederike Hornstein wurden mit der Verleihung des Carola-Ordens gewürdigt. In Kassel ist sie am 6. Februar 1915 verstorben.
Das Ermelhaus, über ein halbes Jahrhundert (1894-1949) „Entbindungsanstalt“, gehörte von 1950 bis 1970 zur Abteilung Lungen- TBC des damaligen Städtischen Krankenhauses Dresden-Neustadt (SKN). Anschließend diente es als Bettenhaus der Chirurgischen Klinik oben erwähnter Einrichtung.
Nach erfolgter grundlegender Sanierung im Jahre 1997 befand sich im Ermelhaus dann die neu geschaffene Klinik für Neurologie des SKN. Nachdem selbige 2003 in das im gleichen Jahr fertiggestellte Funktionsgebäude des Städtischen Krankenhauses (Dresden-Trachau) umziehen konnte, stand das Ermelhaus bis 2007 leer. Seitdem befindet sich im denkmalgeschützten Gebäude eine der drei Tageskliniken der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf, die ein breites Spektrum kinder- und jugendpsychiatrischer Störungen in Dresden und Umgebung versorgt.
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