Zeit schenken und zuhören – Sterbende auf ihrem letzten Weg begleiten

„Es ist keine Belastung. Es ist für mich eine Freude, Zeit zu schenken und zuzuhören“. Das sagt Achim Tölke. Er ist ehrenamtlicher Hospizhelfer und betreut Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Sein erster Einsatz führte ihn 2021 zu einem Covid-Patienten. Dessen Lunge war durch den Virus schon so zerstört, dass er im Laufe weniger Monate daran sterben würde. Medizinisch konnte ihm nicht mehr geholfen werden. „Auch wenn man sich zum ersten Mal sieht – es gibt immer etwas zu erzählen“, erinnert sich Achim Tölke.

Da waren auch Geschichten dabei, über die er mit seiner Frau nicht mehr reden konnte, weil sie die schon oft gehört hatte. „Für mich waren sie neu.“ Wir haben auch gemeinsam Fernsehen geschaut. Am liebsten Quizsendungen. Für die Ehefrau entstand so die Möglichkeit, sich um sich selbst zu kümmern, einen Termin bei der Fußpflege oder beim Friseur wahrzunehmen. Schnell sei ein sehr herzliches Verhältnis entstanden. Zu Beginn oder am Ende der Treffen, die ein Mal pro Woche für etwa 2 Stunden vereinbart waren, habe es Kaffee und Kuchen gegeben.

Stefanie Kutzner (l.) und Sylvia Jaster koordinieren die Ehrenamtler – Achim Tölke ist einer von ihnen. Foto: W. Schenk

Tölke ist einer von 56 ehrenamtlichen Hospizbegleitern, die vom Ambulanten Hospizdienst des Malteser Hilfsdienstes in der Leipziger Straße koordiniert werden. „Sterbebegleitung kann bei uns von Patienten und Angehörigen angefragt werden. Oft sind es aber auch die Ärzteteams, die Patienten zu Hause oder im Pflegeheim betreuen und uns informieren, wenn Unterstützung erforderlich und gewünscht ist“; erzählt Stefanie Kutzner, die gemeinsam mit Sylvia Jaster den Hospizdienst koordiniert. Sterbebegleitung sei keine Sterbehilfe, betont sie.

Zudem unterscheide man zwischen Begleitung und Betreuung. „Begleiten ist eher, an der Seite eines Menschen sein, zu stützen, wenn er es braucht. Menschen wollen und sollen bis zum Ende selbstbestimmt sein können – deshalb begleiten wir lieber“, erläutern sie. Den ersten Kontakt zur Familie stellt eine der beiden Koordinatorinnen her. „Für Angehörige von schwerstkranken Menschen ist es wichtig zu wissen, dass es uns gibt. Der Einsatz einer Begleiterin oder eines Begleiters erfolgt unbürokratisch, ohne Anträge stellen zu müssen und ist nicht mit Kosten verbunden“, betont Sylvia Jaster. Im einem ersten Gespräch vor Ort gehe es um viele Fragen. Die Situation stelle die Angehörigen vor völlig neue Herausforderungen, von denen die Organisation des Alltags nur eine ist.

Meist einmal in der Woche für zwei bis drei Stunden kommt die ehrenamtliche Begleiterin nach Hause. Foto: Malteser Hilfsdienst

Nach dem Besuch entscheiden die beiden Koordinatorinnen, wer aus dem Team der Ehrenamtlichen am besten zu der jeweiligen Begleitung passt. Sie kennen ihre Ehrenamtlichen aus der Ausbildung zum Hospizhelfer. 80 bis 100 Stunden in verschiedenen Kursen und ein Praktikum absolvieren die Ehrenamtler vor ihrem ersten Einsatz. Der Kurs könne nicht auf jede spätere Begleitsituation eine Antwort geben, aber Lösungswege zeigen. Wichtig sei auch, zu lernen, wie man selbst nach einer Begleitung für sich sorgt. „Unser Auftrag besteht darin, eine guten Rahmen für den Einsatz der Ehrenamtlichen zu schaffen“, betont Jaster, die 1996 als ehrenamtliche Hospizhelferin in diesem Tätigkeitsfeld begann.

Die vergangenen zwei Jahre mit der Corona-Pandemie waren für das Palliativteam eine besondere Herausforderung. Obwohl der Bedarf für die letzte Hilfe sehr groß war, haben sich die vielen Aufforderungen zur Vermeidung und Beschränkung von Kontakten im öffentlichen und privaten Leben auf die Arbeit des Hospizteams ausgewirkt. „Über das Sterben zu reden, fällt vielen schon schwer. Wenn dann noch massive Kontakthürden hinzukommen, resigniert so mancher sehr schnell“, sagt Sylvia Jaster und fügt hinzu. „Die Not ist nicht weniger geworden, aber die Umstände verhindern, dass Hilfe in Anspruch genommen wird.“

Begleitung heißt auch gemeinsames Stöbern in alten Erinnerungen, erzählen und zuhören. Foto: S. van Erk / pixabay

Der Ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienst hat in den letzten Jahren neben der Betreuung Schwerstkranker auch verschiedene Angebote zur Trauerbegleitung für jedes Alter entwickelt und ausgebaut. Im Trauercafé treffen sich vorwiegend trauernde ältere Menschen, monatlich gibt es zudem einen Trauertreff für alle und ein spezielles Angebot für Kinder. Neu im Programm sind jetzt „Letzte Hilfe Kurse“. In vier Stunden geht es hier um Sterben als Teil des Lebens, Vorsorgen und Entscheiden, Leiden lindern und Abschied nehmen. Der nächste Kurs ist im November geplant.

Achim Tölke hat den fürsorglichen Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen selbst im Hospiz erlebt. Seine Frau ist dort vor zehn Jahren gestorben. „Davon möchte ich gern etwas zurückgeben“, sagt er. Das herzliche Dankeschön von seiner ersten Begleitungsfamilie habe ihn unwahrscheinlich aufgebaut.

Service:
Ambulanter Malteser Hospiz- und Palliativberatungsdienst & Trauerbegleitung
Leipziger Straße 33
Telefon: 0351 / 43 555 17
Mobil: 0170 / 41 92 398
Mail: hospizdienst.dresden@malteser.org

Eine Meinung zu “Zeit schenken und zuhören – Sterbende auf ihrem letzten Weg begleiten

  1. Regina Spank Henne sagt:

    Sehr nachdenklicher aber extrem wichtiger Bericht – und zu wissen ,das es diesen Beratungsdienst und Trauerbegleitung gibt
    Liebe Stefanie und Frau Jaster danke für den anspruchsvollen Artikel
    Endlich erfährt auch jeder der Betroffen ist ,oder sich nur informieren möchte, Hilfe.
    Danke dafür
    Regina Spank-Henne

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