Sergej und Olga Pavluk sitzen in der Sporthalle der 145. Oberschule an einem Tisch. Das Ehepaar ist mit seinen drei Söhnen seit dem 15. März in Deutschland und seit fünf Tagen in Dresden. Die Familie kommt aus Dnipro, mit rund einer Million Einwohnern die viertgrößte Stadt der Ukraine. „Wir hatten beide gute Arbeit, eine eigene Wohnung, ein Auto und eine Datscha“, erzählt Olga mit leiser Stimme. Das Schicksal habe sie nun nach Dresden verschlagen. „So haben wir uns unser Leben nicht vorgestellt“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie dankbar sei für die Hilfe und Unterstützung. Weil alle drei Kinder mit 4, 13 und 16 Jahren noch minderjährig sind und die Familie damit als kinderreich gilt, durfte der Ehemann mit ausreisen.
Olga ist Architektin, Sergej ist Doktor der technischen Wissenschaften und hat mehrere Jahre an der Technischen Universität unterrichtet. Weil das Geld für die fünfköpfige Familie knapp wurde, hat er sich selbständig gemacht und Firmen in der Ukraine und in Moldawien beraten. Das war ihr Leben vor dem Krieg. Dann haben sie gesehen, wie der militärische Teil des Flughafens in Dnipro mit Raketen beschossen wurde, am Stadtrand eine Fabrik in Flammen aufging und ein Hochhaus in der Stadt unter Beschuss geriet. Seit dem sind sie auf der Flucht. Mit dem Smartphone und dem freien Wlan in der Sporthalle halten sie Kontakt nach Hause. Für sie gibt es keinen Zweifel daran, dass sie dorthin – in ihr gewohntes Leben – wieder zurück wollen.
Heute gibt es zum ersten Mal Borschtsch zum Mittag. Nach den vielen Gerichten aus deutscher Küche sei man den Bitten der rund 120 Turnhallen-Bewohner nachgekommen, meint Marc Fuchs. Er gehört zum Caterer Canapémanufaktur und ist heute in der Vormittagsschicht für die Essenausgabe zuständig. Gegenüber wäscht Petra Kühnlein gerade Geschirr an der Getränketheke ab. Hier können sich die Turnhallenbewohner selbst bedienen. „Heute vormittag hat eine Mutter um eine kleine Portion Spaghetti für ihre Tochter gebeten. Den Wunsch haben wir ihr erfüllt“, erzählt die Rentnerin aus Weinböhla, die sich als ehrenamtliche Helferin bei der Maltesern gemeldet hat und heute den ersten Tag da ist. „Ich mache das, was gerade anfällt“, sagt sie und will wiederkommen. „Die Menschen brauchen hier Freundlichkeit. Das will ich gern geben.“
Thomas Grundmann, Leiter des Stadtbezirksamtes Pieschen, macht sich heute selbst ein Bild von der Situation in der großen Dreifelderhalle. Zwei Drittel sind mit Feldbetten belegt, im vorderen Drittel stehen Tische und Stühle, eine Ecke ist als Spielplatz für die Kinder hergerichtet. Lars Uhlmann, Leiter Notunterkünfte beim Malteser Hilfsdienst, und Benedikt Schubert, Dienststellenleiter der Malteser in Dresden, haben sich für die Fragen Zeit genommen. Sie gehen davon aus, dass die Sporthalle über längere Zeit für die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine benötigt wird. Wohnungen seien knapp. Und eine mehrmonatige Unterkunft im Gästezimmer einer Dresdner Familie könne beide Seiten schnell überfordern. Da seien auch schon Familien wieder zurückgekommen in die Sporthalle. „Da ist es besser, man trifft sich erst einmal in der Wohnung, schaut sich an, lernt sich etwas kennen und entscheidet dann“, meint Uhlmann.
Kleidung und Schlafsäcke seien ausreichend vorhanden. Als Engpass habe sich das Fehlen von Waschmöglichkeiten für die Wäsche herausgestellt. An den Waschbecken in den Umkleideräumen gebe es nur kaltes Wasser. Waschmaschinenanschlüsse seien nicht vorhanden. Derzeit gebe es keine Möglichkeit, die Bettwäsche zu waschen und zu trocknen. Gleiches gelte auch die private Wäsche der Sporthallenbewohner. Hier hoffen die Malteser auf Hilfsangebote der Anwohner. Wer eine oder zwei Maschinen voll Wäsche waschen möchte, solle sich einfach melden. Gern auch öfter. Wäscheständer seien ebenfalls Mangelware. Das gilt auch für einfache Regalsysteme, um Wäsche und Kleidung übersichtlicher lagern zu können.
Schubert lobt die Kontakte zu den Schülerinnen und Schülern und dem Leitungsteam der 145. Oberschule. Schon am 14. März hat es hier die erste Spendenaktion gegeben, in der vergangenen Woche wurde ein Spendenlauf organisiert. Auch aus der Nachbarschaft kämen viele Unterstützungsangebote. So können die Kinder im nahegelegenen Eselnest spielen gehen, Brot im Erdofen backen oder Töpfern. Am Freitag will der Chor Singasylum ein Konzert in der Sporthalle geben – und zum Mitsingen animieren. Bei Dolmetschern würde man sich über weitere Unterstützung freuen, sagt Uhlmann. Immer wieder piept sein Diensttelefon. Er hat bereits als Student bei der Unterbringung von Flüchtlingen geholfen und ist mit seinen Erfahrungen gefragt. Jetzt muss er sich Gedanken darüber machen, wie er mit seinem kleinen Betreuerteam ab sofort alle Bewohner der Unterkunft namentlich erfasst.
Thomas Grundmann wird im Stadtbezirksbeirat am Dienstagabend über seinen Besuch informieren. Und er nimmt viele Informationen in die Stadtverwaltung mit. Dorthin ist er derzeit zur Koordinierung der Ukrainehilfe abgeordnet.
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