Die ersten Eingemeindungen Dresdner Vororte in die Haupt- und Residenzstadt erfolgten in den 1890er Jahren. Waren es 1892 Strehlen mit 1.502 Einwohnern und Striesen mit 10.820 Einwohnern, so erfuhr das Stadtgebiet 1897 durch die Eingemeindung der rechtselbischen Vororte Pieschen und Trachenberge eine weitere Vergrößerung.
Die Gemeinde Pieschen, erstmals auf einer Urkunde vom 24. November 1292 erwähnt, hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Wohngebiet für die Arbeiter der großen Industriestandorte in Übigau, Mickten und der Leipziger Vorstadt entwickelt. Zwischen Leipziger Straße und Eisenbahnlinie waren ganze Straßenzüge mit mehrstöckigen Mietswohnhäusern und oft mit Hinterhäusern entstanden. Nach den am 28. Januar 1895 festgestellten Bevölkerungsverhältnissen Pieschens betrug die Einwohnerzahl insgesamt „15.324 Seelen in 492 bewohnten Gebäuden“.
Der heutige Dresdner Stadtteil Trachenberge war ursprünglich eine sogenannte „Streusiedlung“ (nicht geschlossene Siedlung) ohne eigentlichen Ortskern. Zur selbständigen Gemeinde wurde sie im Jahr 1812 erhoben. Laut der am 2. Dezember 1895 durchgeführten Zählung wohnten und lebten in Trachenberge 1.422 Männer, Frauen und Kinder.
Der Vorort Pieschen hatte schon 1893 um Eingemeindung in die Haupt- und Residenzstadt Dresden ersucht. Als Gründe wurden das ständige Steigen der Steuerlast, das rasche Anwachsen der Bevölkerung, die Mangelhaftigkeit der Gruben- und Straßenreinigung und die Unzulänglichkeit der Armenversorgung angeführt.
Die Stadt verhielt sich aber vorerst abwartend, da noch beträchtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Eingemeindung Strehlens und Striesens bewältigt werden mussten. Zum anderen rückte auch die Leistungsfähigkeit des am 1. Mai 1876 in Betrieb gegangenen und nach Entwürfen des Ingenieurs Bernhard Salbach (1833-1894) errichteten Wasserwerkes „Saloppe“ an seine Grenzen. Erst als der Bau eines zweiten Wasserwerkes im 1912 nach Dresden eingemeindeten Tolkewitz beschlossen wurde, beauftragte der städtische Rat am 3. November 1895 einen zwölfköpfigen Ausschuss mit der Prüfung der Eingemeindungsfrage des Vorortes Pieschen.
Nach gründlichem Abwägen der Vor- und Nachteile schlug der Ausschuss im Frühjahr 1896 dem Rat nicht nur die Eingemeindung Pieschens, sondern auch die Trachenberges vor, da beide durch den gemeinsamen Schulbezirk sowie gemeinsame Kirchen- und Standesamtsverbände in mehrfacher Beziehung standen.
Die Ausschussmitglieder gingen davon aus, dass die unmittelbare Angrenzung bebauter Pieschener Ortsteile an die dicht besiedelte Leipziger Vorstadt ebenso für die Eingemeindung sprächen wie der Umstand, dass in beiden Gemeinden „ausgedehntes Bauland für Fabriken“ vorhanden wäre. Darauf könnten die mehr und mehr wegen hoher Boden- und Grundstückspreise aus der Stadt verdrängten industriellen Unternehmen bauen. Bei einer Eingemeindung werde ihre Steuerkraft der Stadt erhalten. Zudem käme das Gelände der Trachenberge für neue städtische Kranken- und Wohltätigkeitsanstalten in Betracht. Schon jetzt wäre das Sächsische Krüppelheim sowie das Kinderhospital des im Oktober 1876 gegründeten „Verein Kinderheilstätten für Neu- und Antonstadt Dresden“ hier angesiedelt. Auch werde demnächst das Grundstück des Marienhofes durch den Neubau eines Findelhauses und einer Kinderpflegeanstalt weiter ausgenutzt.
Der auf Grund dieser Empfehlung aufgestellte Entwurf eines Ortsgesetzes über die Vereinigung von Pieschen und Trachenberge mit der Stadt fand nach vier Beratungen letztendlich auch die Zustimmung der Vertreter beider Vorortgemeinden. Nachdem das Königliche Ministerium des Innern der Eingemeindung von Pieschen und Trachenberge in die Stadt Dresden zugestimmt hatte, erfolgte am Mittwoch, den 30. Juni 1897, vormittags 11 Uhr im Sitzungsaal des Pieschener Rathauses. die Übernahme der Verwaltung beider Vorortgemeinden und die Verpflichtung der in den Dienst der Stadt übertretenden Beamten.
Neben dem Oberbürgermeister Dresdens, dem Geheimen Finanzrat Beutler, nahmen Bürgermeister Nake und die Stadträte Dr. Teichmann, Dr. Lotz, Dr. Körner, Friedrich, Schröter, Fischer und Lungwitz Aufstellung. Die beiden Gemeinden wurden durch den Vorstand Franz Gustav Lemke (Pieschen) und dem Gemeindeältesten August Zerasi (Trachenberge) vertreten. Von der königlichen Stadtbehörde waren von Burgsdorff (Amtshauptmann Dresden-Neustadt), Le Maistre (Polizeipräsident) und Fink (Bezirksschulinspektion) anwesend. Auch die Vertreter des Schulvorstandes von Pieschen und die Repräsentanten der St. Markuskirche waren zugegen.
Die Selbständigkeit, die eigene Existenz, so führte Oberbürgermeister Dr. Otto Beutler in seiner Ansprache aus, gingen wohl einerseits für die Gemeinden verloren, aber das Bürgerrecht, was sie alle erhielten, wäre auch ein großer Gewinn. Die vor 125 Jahren erfolgte Eingemeindung von Pieschen und Trachenberge erbrachte der Stadt einen Zuwachs von fast 340 Hektar Fläche und knapp 18.000 Einwohnern.
Zur Erinnerung an die Verleihung des Bürgerrechts, das die Gemeinde Pieschen seit 1885 ihren Bewohnern zuerkennen durfte, erhielt 1886 der Straßenabschnitt in der Leipziger Vorstadt den Namen Bürgerstraße. Infolge der Eingemeindung Pieschens nach Dresden am 1. Juli 1897 wurde dieser Namen auf die Schulstraße übertragen.
>> zum Archiv von Brendler’s Geschichten
2 Kommentare zu “Brendler’s Geschichten: Vor 125 Jahren wurden die Vororte Pieschen und Trachenberge nach Dresden eingemeindet”
Das könnte Sie auch interessieren …
Die Radio-Initiative Dresden hat den Tod ihres langjährigen Mitglieds Peter Rother bekannt gegeben. Der Lyriker, Autor und Moderator >>>
Wenn am Heiligen Abend die Geschenke verteilt, die Lieder gesungen und die Gedichte aufgesagt worden sind, dann haben auch die Weihnachtsmänner >>>
Mit freundlicher Unterstützung des Dresdner Kinokalenders präsentieren wir die Kinotipps der Woche für den Stadtbezirk Pieschen. >>>
Nachdem am Mittwoch der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) im zweiten Wahlgang wiedergewählt wurde, hat er am Donnerstagmorgen >>>
Wem gehört die Dresdner Carolabrücke? Eigentlich ja allen Dresdnern, wenn die Brücke noch stehen würde. Ein Teil ist von allein eingestürzt, >>>
Ich hatte kürzlich Gelegenheit mit Herr Brendler ins Gespräch zu kommen und dabei kamen wir auf die Geschichte, dass Willy Brandt in Alttrachau erstmals unter diesem Namen auftrat.
Ich versprach ihm die Quelle dazu zu suchen, was ich hiermit einlösen möchte: –>
https://www.saechsische.de/zu-cool-um-wahr-zu-sein-2733070.html
Der Trachauer „Ratskeller“ (Alttrachau Nr.14) war in den Jahren der Weimarer Republik das Versammlungslokal sowohl der SPD- Ortsgruppe, als auch des Sozialistischen Jugendverbandes für die Stadtteile Kaditz, Mickten, Übigau und Trachau. Einer der Teilnehmer des illegalen Parteitages der SAP (Sozialistische Arbeiterpartei Deutschland), der am 11./12. März 1933 im „Ratskeller“ tagte, war auch Willy Brandt (1913-1992). Unter dem Namen Herbert Frahm geboren, hatte er nach der national-sozialistischen Machtergreifung Deutschland verlassen, seinen Namen abgelegt, sich zunächst Willy Flam[m]e und dann Willy Brandt genannt. Der „Trachauer Ratskeller“, im Jahre 1890 eröffnet, wurde 2010 geschlossen.