Seit vielen Wochen sind die Sportstätten aufgrund der Corona-Pandemie erneut gesperrt. Vereinstraining kann nicht stattfinden. Wie gehen die Vereine und ihre Mitglieder mit dieser Ausnahmesituation um? Das Onlinejournal Pieschen aktuell hat sich dazu bei fünf Sportvereine (TSV Rotation Dresden 1990 e.V., SV TuR Dresden e. V., SV Dresden-Neustadt 1950 e.V., DSV 1953 e.V., SV Motor Mickten-Dresden e.V.), die im Stadtbezirk Pieschen ansässig sind oder Sporthallen in Pieschen für ihr Training nutzen, umgehört.
Die gute Nachricht vorweg: Grundsätzlich halten die Freizeitsportlerinnen und -sportler ihren Vereinen die Treue. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung durch unsere Vereinsmitglieder“, erklärt Annett Hoffmann, Geschäftsführerin beim SV Motor Mickten-Dresden e.V. „Bisher sind nur die auch sonst üblichen Abgänge zu verzeichnen. Leider fehlen aber die Neuanmeldungen, um diese auszugleichen.“
Auch beim TSV Rotation Dresden 1990 ist die Lage stabil. „Im Zusammenhang mit der Pandemie haben uns weniger als ein Prozent der Mitglieder – und hier vor allem ältere Sportlerinnen aus den Gymnastikgruppen – verlassen“, berichtet Frank Reichelt, 1. Vorsitzender des Vereins, der seinen Sitz an der Eisenberger Straße hat.
Auch beim SV TuR Dresden e. V. gibt es keinen dramatischen Mitgliederschwund. Allerdings habe der Verein eine allgemeine Sportgruppe mit acht Personen aufgrund der Coronaumstände verloren.
„Derzeit verzeichnen wir keine größere Austrittsbewegung, vor allem keine, die durch die Corona-Pandemie bedingt ist“, antwortet Daniel Siegmund, Vorstandsmitglied beim SV Dresden-Neustadt 1950 e.V. auf unsere Anfrage. Etwas skeptischer schaut er dagegen in die Zukunft. “Im Frühjahr könnte sich zeigen, ob die Mitglieder nach der langen Zeit ohne Training weiter Lust auf Sport haben. Besonders die jungen Leute könnten sich zum Beispiel durch viele Computerspiele an das zu Hause sitzen gewöhnt haben“.
Mitgliedsbeiträge – Ausnahmen bei Härtefällen
Welche Rechte die Vereinsmitglieder während der Corona-Pause haben, kann man beim Landessportbund Sachsen nachlesen. Dort wird klargestellt, Vereinsmitglieder ihre Beiträge nicht zurückfordern können, wenn kein Training stattfindet. Auch ein Sonderkündigungsrecht aufgrund des Corona-Virus bestehe nicht. Die von den Vereinen gelobte Treue der Mitglieder und damit weiterhin stabile Beitragseinnahmen sind ein Grund für dafür, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten bisher ausgeblieben sind. Ausnahmen hat es dennoch in allen Vereinen gegeben. Abhängig von den jeweiligen Satzungen wurden vereinzelt bei Härtefällen Ruhezeiten oder eine zeitlich befristete Befreiung von der Beitragspflicht eingeräumt.
- TSV Rotation Dresden 1990 e.V.: Zahl der Mitglieder: 950, davon 325 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, sowie 230 in der Altersgruppe Ü50.
- SV TuR Dresden e. V.: Zahl der Mitglieder: 707, davon 180 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre: 180, sowie 193 ab 60 Jahren.
- SV Dresden-Neustadt 1950 e.V.: Zahl der Mitglieder: 382, davon 116 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, sowie 123 ab 65 Jahren.
- SV Motor Mickten-Dresden e.V. Zahl der Mitglieder: über 1.600, davon Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sowie ab 65 Jahren: 50%
- DSV 1953 e.V.: Volleyball Kinder- und Jugendgruppe sowie Basketball im Stadtbezirk Pieschen, Zahl der Mitglieder: 316, davon 47 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, sowie 11 ab 65 Jahren.
Bei Prognosen für das Jahr 2021 sind die Vereinsverantwortlichen zurückhaltend. „Auf Grund der großen Solidarität unserer Mitglieder und Sponsoren konnten in vergangenen Jahr Einnahmeausfälle weitestgehend kompensiert werden“, sagte Frank Reichelt vom TSV Rotation. „Problematischer wird es sicher 2021, da ja bereits eine Kürzung der Fördermittel der Stadt für den Breitensport absehbar ist. Auch Sponsorengelder werden sicher ausfallen. Eine große Unterstützung erfuhren wir durch unsere Trainer und Übungsleiter, die auf die Auszahlung von ihnen zustehenden Vergütungen verzichten. Herzlichen Dank dafür“, betonte er.
Da Training und Wettkämpfe ausgesetzt sind, entfallen Miete und Pacht sowie Wettkampfgebühren. Dadurch wird das Vereinsbudget teilweise entlastet, berichtete der SV Dresden-Neustadt 1950 e.V.. Seit der Haushaltssperre der Landeshauptstadt Dresden im Frühjahr 2020 werden genehmigte Förderungen allerdings nur zu 50 Prozent ausgezahlt. „Auch erwarten wir nach der Pandemie Erhöhungen im Pachtbereich durch Kürzungen der Sportförderung, die wir nicht sofort zu 100 Prozent auf die Mitglieder umlegen möchten, um keine Mitglieder zu verlieren“, so Daniel Siegmund weiter.
Sportförderung aus dem Stadthaushalt
Von der Haushaltssperre im vergangenen Jahr waren auch die Sportvereine betroffen. So wurde bei der Kinder- und Jugendförderung, bei der Förderung von Menschen mit Behinderung und der Förderung des Ehrenamtes, hierzu gehören auch die Übungsleiter:innen und Jugendleiter:innen nur die Hälfte der geplanten Gelder ausgezahlt, antwortete Sportbürgermeister Peter Lames (SPD) auf eine entsprechende Anfrage. Andere Zuschüsse, wie zum Beispiel für die Betreibung von Sportanlagen, seien dagegen vollständig ausgezahlt worden. Für das Jahr 2021 gibt der Sportbürgermeister dagegen Entwarnung. „Eine Kürzung der Fördermittel im Bereich des Breitensports ist nicht geplant“, erklärte Lames.
Training auf neuen Wegen
Der Kontakt zu den einzelnen Sportgruppen gestaltet sich je nach Verein und Sportart sehr individuell. Über übliche Kommunikationswege, wie Telefon, Email, SMS, Chat-Gruppen, Aushänge am Sportplatz oder Vereinswebseite werden die Mitglieder über die aktuellen Entwicklungen informiert. „Der Kontakt mit den Sportlerinnen und Sportlern ist seit Frühjahr 2020 schwierig. Besonders die älteren Mitglieder in den Abteilungen Kegeln und Gymnastik waren über persönliche Kontakte erreichbar. Die fallen jetzt leider weg“, erzählt Daniel Siegmund.
Was das Training angeht, ist der Einfallsreichtum der Vereine groß. Vieles hängt hier von den technischen und zeitlichen Möglichkeiten der in der Regel ehrenamtlichen Übungsleiter und Trainer ab. „Einige unserer Mannschaften bzw. Abteilungen versuchen individuelle Angebote umzusetzen. Beispielweise trainierten die Kinder im Fußball bis zur Verschärfung im Dezember individuell auch außerhalb des Vereins in kleinen Gruppen oder trafen sich zum ‚bäbbeln‘ auf dem Bolzplatz“, schildert Daniel Siegmund. “Die Männermannschaften haben Home-Challenges per WhatsApp veranstaltet. Zum Beispiel das Namensworkout, bei dem jeder Buchstabe des Vornamens für eine Übung steht, oder trainieren in Laufgruppen oder aktuell allein und mit Abstand in Fernwettbewerben wie beim Spitzhaustreppenlauf oder beim Ausdauertraining. Die Abteilung Tischtennis hat einige Miniplatten organisiert und die Mitglieder trainieren im ‚Home-Office‘. Allerdings sehnt sich jeder wieder nach seiner Gruppe und den Treffen.“
Über Chat-Gruppen halten die Trainer und Übungsleiter beim TSV Rotation Dresden 1990 Kontakt zu ihren Athleten und tauschen darüber Übungs- und Trainingsanleitungen aus. Internetangebote des Sächsischen Fußballverbands werden ebenfalls genutzt. Für die Kadersportler gibt es individuelle Lösungen. Auch Videokonferenzen werden auf unterschiedlichen Plattformen genutzt.
Der SV Motor Mickten-Dresden e.V., mitgliedstärkster Verein in Pieschen mit hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Geschäftsstelle, bietet seinen Mitgliedern ein umfangreiches Online-Sportprogramm an. Auf der Vereinswebseite finden alle Interessierten freie Sportangebote für Kinder und Erwachsene über YouTube-Videos. Mehrere Abteilungen nutzen die Software von „Teams“ oder „Zoom“, um in internen Gruppen online zu trainieren oder stellen YouTube-Videos bereit.
Die coronabedingten freien Kapazitäten hat die Geschäftsstelle von Motor Mickten unter anderem dazu genutzt, um bei der „Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt“ erfolgreich einen Antrag für Digitalisierung zu stellen. Bei 20 Prozent Eigenanteil steht dem Verein eine Fördersumme von rund 67.000 Euro zur Verfügung. „Dadurch können wir den Verein wesentlich besser aufstellen und die Vernetzung der Ehrenamtler und Mitglieder fördern“, erläutert Geschäftsführerin Annett Hoffmann. „Alle Abteilungsleiter und verschiedene Gremienmitglieder erhalten neue Laptops, wir können online über ‚Teams‘ Sitzungen abhalten, die neue Telefonanlage hilft bei der Kommunikation untereinander und nun sind auch neue Videomöglichkeiten für Sportangebote vorhanden“. Die Online-Kommunikation werde weiter ausgebaut und eine neue Form der Archivierung geschaffen. Grundlage dafür bilde die neue Satzung, die im Herbst über ein Umlaufverfahren von den Delegierten beschlossen wurde. „Virtuelle Beschlüsse sind nun in mehreren Formen möglich und rechtssicher. Wir werden 2021 alles umsetzen und einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung gehen“, sagt die Geschäftsführerin.
Sorge um Fitness bei Jung und Alt
Sorgen machen sich die Vereinsverantwortlichen um die Gesundheit ihrer Mitglieder: „Wir erhalten Rückmeldungen, dass der Bewegungsdrang der Kinder besonders groß ist“, berichtet Annette Hoffmann. „Die fehlende sportliche Betätigung wirkt sich auf die Stimmung der Kinder aus. Auch der Mangel an sozialen Kontakten macht sich zunehmend bemerkbar. Auf Dauer sollte hier entgegengewirkt werden, auch wenn vorerst nur in ganz kleinen und festen Gruppen trainiert werden könnte.“ Die Seniorinnen und Senioren im Verein würden sich zum Teil über Zoom-Videos fit halten. Da hier bei vielen jedoch die digitalen Grundlagen fehlten, müssen sie derzeit auf die Anleitungen für den Sport verzichten. Oft blieben dann nur Spaziergänge für einen kleinen Ausgleich. Das ist auch beim SV Dresden-Neustadt 1950 ein Thema. „Mitglieder der Abteilung Kegeln, meist 50+, beschweren sich bereits über mangelnde Fitness“, ergänzt Daniel Siegmund.
Frank Reichelt vom TSV Rotation denkt auch an die besondere psychische Belastung der Schulkinder und Auszubildenden im Homeschooling sowie an die Eltern, die im Homeoffice tätig sind, sich in Kurzarbeit befinden oder gar den Arbeitsplatz verloren haben. Sportlicher Ausgleich sei gerade auch bei psychischen Belastungen wichtig. „Unsere Aufgabe als Vorstand kann es nur sein, immer wieder durch Appelle aufzufordern, sich individuell oder in der engen Familie sportlich zu betätigen. Dies scheint aus unserer Sicht jedenfalls bisher ganz gut zu funktionieren.“
Bisher haben die Vereine und ihre Mitglieder die Pandemie offenbar ganz gut gemeistert. Dennoch: “Wie in der gesamten Gesellschaft werden auch bei uns derzeit vermehrt Fragen zur Zukunft auch im Vereinssport gestellt. Wir als Vorstand schließen uns der Forderung an die Politik an, endlich eine Perspektive unter Beachtung der Entwicklung der Pandemie aufzuzeigen“, betont Frank Reichelt.
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