Im Theaterhaus Rudi findet noch bis Sonntag das 36. Internationale PantomimeTheaterFestival statt und beweist fantasievoll und vielfältig, dass Menschen auch stumm Bände sprechen können.
Noch ist Plaudern und Schwatzen zu hören, doch als sich der Saal im Theaterhaus Rudi für die erste Darbietung verdunkelt, wird es still – und soll es für den restlichen Abend bleiben. Bei der Eröffnungsgala am Mittwoch zeigten Pantomime-Künstler je einen Ausschnitt ihres Programms und verblüfften auf ganz unterschiedliche Weise. Moderierend durch den Abend geleitete Michael Meinel, dem die Freude über das Event deutlich anzusehen war: „Unglaublich, aber wir sind hier wirklich alle vor Ort versammelt!“ Im vergangenen Jahr musste die Veranstaltung aufgrund der Pandemie abgesagt werden. Nun kann sie unter strengen Hygienevorkehrungen stattfinden.
Beherrschte Körper
Den Auftakt gab Benoit Turjman, der französische „Mr. Bean der Pantomime“, der tatsächlich jahrelang als Rowan Atkinsons Stunt-Double tätig war. Mit quietschenden Plastiksandalen, in denen spießig weiße Kniestrümpfe stecken, versucht er sich am „Camping im Freien“ und pendelt urkomisch zwischen dem Versuch, Ruhe in der Idylle zu finden und den Strapazen, die der mangelnde Komfort in der Natur nun mal so mit sich bringt.
Der Berliner Akrobat Moritz Lucht stellte physisch spürbar die Schwere des Körpers dar. Schleppend, schleifend, mit zitternden Muskeln versinnbildlichte er die Mühen, die tägliche Routine abfordert, um sich gleich darauf mit atemberaubender Leichtigkeit in einen perfekten Handstand zu stemmen. Es drängte sich im Staunen über so viel Körperbeherrschung die gesellschaftskritische Frage auf: Von wem wird der Körper beherrscht? Die Fragmentierung des Tages in getaktete Routinen untersuchte auch der ganz in Schwarz gekleidete Künstler Nabil Zanabili, der am Donnerstag gemeinsam mit Lucht in einer Doppelvorstellung auftreten wird. Abgeklärt, in vollendet perfektionierten Bewegungen, steif und jedes Esprits beraubt, arbeitet sich seine Kunstfigur in einem Ausschnitt von „1984“ durch einen alltäglichen Morgen – die Abläufe sind bekannt, selbst kleine Überraschungen einkalkuliert, Begegnungen einstudiert, das Lächeln angeschraubt, dass er sich merklich anbahnt, der große Bruch …
Shows und Workshops noch bis Sonntag
Derevo zeigten einen Ausschnitt ihres Stückes „Reinheit“, das mit Musik von Johann Sebastian Bach von Ekaterina Gorynina live auf dem Cello begleitet wird. In winzigen Schritten nähern sich das Alter und die Jugend einander an, um im Schattenwurf der Zeit die Rollen zu tauschen. Wie gewohnt zaubert die Gruppe märchenhaft-metaphorische Bilder – in diesem Fall mit den jüngsten Mitgliedern der Combo. Den fulminanten Abschluss der Gala bildete Charlie Denat vom Dirtz Theater mit einer Metamorphose des Unbelebten. Die Veranstaltung am Freitag muss leider ausfallen, weil seine Partnerin Jolanda Löllmann sich aufgrund gesundheitlicher Risiken schonen muss. Charlie gebar sich selbst aus einem Puppenwesen, das nunmehr auf der Bühne ein eigenständiges Leben anstrebte – allerdings, wie viel Eigenständigkeit ist in Abhängigkeit möglich? Einen Ausschnitt gibt es auf der Webseite zu sehen.
Wer traurig war, als der Abend endete, sei getröstet: Die Shows in ihrer Gänze liegen noch in der Zukunft. Einige sind bereits ausverkauft, doch es gibt noch ausreichend Plätze, um sich sprachlos begeistern zu lassen: Auch für junge Zuschauer. Zudem finden im Rahmen des Festivals Workshops statt: Sie offenbaren um Beispiel, wie ein Handstand gelingen kann.
- Doppelvorstellung Moritz Lucht / Nabil Zanabili, Donnerstag, 18 Uhr
- „Hic Sunt Dracones“ mit Theatro Continuo, Donnerstag 20 Uhr
- „Der Nachbar“ mit Benoit Turjman, Sonnabend, 18 Uhr
- Solo mit Radim Vizcáry, Sonnabend, 20 Uhr
- Kindervorstellung „Paperboy“ mit Radim Vizcáry, Sonntag, 11 Uhr
- „Reinheit“ mit Derevo, Sonntag, 18 Uhr
- „Django“ mit Knalltheater, Sonntag, 20 Uhr
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