Die letzten drei Jahre seiner Amtszeit hat Christian Wintrich genossen. „Wir hatten endlich Handlungsspielraum und viel mehr Möglichkeiten, etwas zu bewirken“, blickt er auf sieben Jahre als Leiter der Stadtbezirksämter Pieschen und Klotzsche zurück. Mehr als 1,2 Million Euro standen allein im Stadtbezirk Pieschen seit 2019 für die Förderung von verschiedenen Projekten und die Verbesserung des Stadtbildes zur Verfügung. Bäume wurden gepflanzt, die Spielplätze in der Neuländer Straße und an der Weinbergskirche neu gestaltet, Mittel für den Spielplatz am Pestalozziplatz bewilligt, neue Bänke aufgestellt, Sportvereine gefördert, das Stadtteilfest Sankt Pieschen unterstützt und vielfältige Kulturinitiativen mit Fördergeldern bedacht. Möglich war dies durch die neue Stellung der Stadtbezirke und ihrer Beiräte mit mehr Rechten und einem eigenen Budget.
Besonders hervorheben möchte ich den respektvollen und menschlichen Umgang mit allen Beiräten. Als Schnittstelle zu den Behörden der Stadt hat Herr Wintrich immer ein offenes Ohr und offene Augen gezeigt.
Die Sitzungen des Stadtbezirksbeirates, deren Vorbereitung und Leitung die Aufgabe von Christian Wintrich war, wurden seit 2019 bunter und länger und verlangten mehr Moderation. Schließlich wurden alle Förderprojekte im Stadtbezirksbeirat vorgestellt. Oft waren die Antragsteller mit neugierigen und auch kritischen Nachfragen konfrontiert. Die Beiräte konnten eigene Anträge auf die Tagesordnung bringen, haben für alle Belange des Stadtbezirkes ein Vorschlagsrecht und können Beigeordnete oder einen ihrer Vertreter, zum Beispiel einen Amtsleiter oder eine Amtsleiterin, für die kommende Sitzung einladen, um sie zu befragen. Das verlangte mehr Fingerspitzengefühl bei der Formulierung der Forderungen an die Stadtverwaltung und die verschiedenen Ämter. Das war auch eine echte Herausforderung für das kleine Verwaltungsteam, auf das sich der Amtsleiter stützen kann.
Trotz mancher Meinungsverschiedenheiten habe ich seine sympathische und sehr menschliche Art, die Sitzungen zu leiten als sehr sehr angenehm wahrgenommen. Und wenn es doch mal hitzig war, versuchte er, die Situation für alle in angenehmer Art zu meistern. Hinzu kommt, dass ich stets das Gefühl hatte, dass Herr Wintrich sich tatsächlich um Pieschen und die hier lebenden Menschen sorgt und seine Arbeit damit mehr war, als eine reine Verwaltungsaufgabe. Dieser persönliche Einsatz ist nicht selbstverständlich.
Christian Wintrich hat sich immer gern selbst ein Bild gemacht, besonders bei kniffligen Fragen. Im Streit um die Öffnung der Zinggstraße in Übigau organisierte er einen Ortstermin mit allen Beteiligten, über die Dachschäden an der Sporthalle in der Thäterstraße ließ er sich direkt informieren. Zum Zustand der Neuländer Straße gab es eine Begehung mit dem damaligen Amtsleiter. Gute Kontakte in die Stadtverwaltung verhinderten, dass Fördergelder aus dem Verfügungsfonds des Stadtbezirksbeirates verfallen. 2019, im ersten Förderjahr, mussten dennoch rund 200.000 Euro an der Stadthaushalt zurückgegeben werden.
Gern erinnert sich Wintrich an die Wiedereröffnung des Spielplatzes in der Neuländer Straße. Da habe ihn ein elfjähriger Junge nach dem Verbleib der Holzeisenbahn gefragt. Die war marode und musste aus Sicherheitsgründen abgebaut werden. Wintrich berichtete im Stadtbezirksbeirat darüber. Nach kurzer Debatte beschlossen die Beiräte Gelder für eine Neubeschaffung. „Das wäre vor 2019 gar nicht möglich gewesen“, ist er froh, dass es diese Spielräume jetzt gibt.
Gern hätte er auch dem Trafohäuschen am Konkordienplatz zu neuem Leben verholfen. „Das ist leider ein Misserfolg in meiner Bilanz“, sagte er im Gespräch. Zwar konnte verhindert werden, dass die Drewag das Häuschen abreißt, weil sie es nicht mehr brauchte. Aber viel weiter sei man nicht gekommen. Inzwischen ist die Zuständigkeit an die Stadt übergegangen, aber die Betreibung des Gebäudes durch das Stadtbezirksamt sei leider immer noch nicht geregelt. Das müsse nun Thomas Grundmann übernehmen, der ab 1. Januar 2022 neuer Leiter des Stadtbezirksamtes ist. Grundmann ist seit Dezember im Rathaus, um einen reibungslosen Übergang zu ermöglichen.
Seit etwa drei Jahren kenne ich Herrn Wintrich aus der Arbeit im Stadtbezirksbeirat. Diese Arbeit ist durch seine Tätigkeit als Versammlungsleiter immer in zuverlässig freundlichen Bahnen gelaufen, auch wenn es inhaltlich sehr konträr zuging. Damit hat er der Atmosphäre der Sitzungen seinen Stempel aufgedrückt, der sich sehr wohltuend auf die Zusammenarbeit der Fraktionen auswirkt. Immer, wenn es einmal organisatorische oder formale Probleme gab, hat er Lösungen gefunden, in die die Stadtbezirksbeiräte eingebunden worden sind. Da Herr Wintrich seinen Humor fast nie verliert, gingen alle Kontroversen ohne Nachwehen aus.
„Ordnung und Sauberkeit“. Das war von Anfang an eines der wichtigsten Themen, das die Einwohner in den Stadtteilen bewegt. Nach den beiden Hochwassern 2002 und 2013 waren die Anforderungen besonders hoch. „Wir haben 2013 aber auch von den elf Jahren zuvor gesammelten Erfahrungen profitiert“, meinte Wintrich. 2002 habe es nicht mal Evakuierungspläne gegeben. Die Organisation der Evakuierung, von Unterkünften, Verpflegung und später der Kampf mit dem Unrat und dem vielen Schlamm – das hat sich tief in die Erinnerung gegraben und später geholfen.
Nach der Wende hatte der gelernte Maschinenbauingenieur andere Herausforderungen gesucht. Er kümmerte sich in Cotta um den neu gebildeten Ortsbeirat. Vieles war damals noch nicht geregelt, die Sächsische Gemeindeordnung hat dann 1993 für mehr Klarheit gesorgt. „Damals war vor allem Pragmatismus gefragt“, erinnert sich Wintrich. 2010 wurde er Stellvertreter des damaligen Ortsamtsleiters Gottfried Ecke. Als dieser 2014 seine Pension antritt, übernimmt Wintrich kommissarisch und wird ein Jahr später vom Stadtrat ordentlich gewählt.
Wir blicken auf eine gute Zusammenarbeit zurück, schätzten seine ruhige, besonnene und fachliche Kompetenz. In einer komplizierten Zeit, vor allem in den letzten zwei Jahren, war er immer bemüht, im Interesse der Pieschener Einwohner die richtigen Entscheidungen zu treffen. Besonders schätzen wir an Ihm seinen neutralen Umgang mit allen Parteien, die im Pieschener Stadtbezirksbeirat vertreten sind, so wie es in einer Demokratie üblich ist.
„Mir hat dieses Amt viel Spaß gemacht. Es bringt ein breites Themenspektrum mit sich. Nicht immer gibt es eine schnelle Lösung. In vielen Fragen sind wir auf die Ämter der Stadt angewiesen“, erklärt Wintrich. Er weiß, dass seine Art der Sitzungsleitung nicht nur Freunde hatte. „Zu straff oder nicht zu straff, das war oft nicht so einfach. Manchmal fehlte auch die Selbstdisziplin bei den Beiräten, wenn es lange Statements statt Fragen gab“, sagt er.
Thomas Sawatzki (Grüne) beschreibt das als „übertriebene Fairness“. „Der Amtsleiter wollte eben immer alle zu Wort kommen lassen“, erläutert er, was er damit meint. Sawatzki ist ein Urgestein im Stadtbezirksbeirat. Seit 1993 sitzt er in der Stadtteilvertretung. Zu Beginn, so erinnert er sich, sei das eher ein Runder Tisch gewesen. „Da haben wir uns selbst in der Moderation abgewechselt“. Schön ist, dass man jetzt viel mehr bewegen kann. Und Amtsleiter Christian Wintrich habe dafür gesorgt, dass es über alle Parteigrenzen hinweg immer sachlich geblieben sei. Dazu hätten auch die vielen Ortstermine beigetragen. „Diese Art passte sehr gut zu ihm und war eine seiner Stärken“.
Die Verabschiedung von Herrn Wintrich sehe ich mit einem lachenden, aber auch mit einem weinenden Auge. Oder wie Herr Wintrich gern sagt: „Dazu schlagen zwei Herzen in meiner Brust.“ Durch sein Ausscheiden als Ortsamtsleiter geht nun auch sehr viel Wissen über Pieschen in Rente. Seine Verbundenheit zu den Menschen im Stadtteil, die Bemühungen immer etwas Positives bewegen zu können, haben bei mir Bewunderung und Respekt für ihn und seine Mitarbeiter aufkommen lassen.
So richtig verabschieden konnte sich Wintrich nicht von seinen Stadtbezirksbeiräten. Die Dezembersitzung wurde aufgrund der Corona-Notfallverordnung abgesagt. Glück war, dass der Stadtbezirksbeirat Klotzsche noch einige unaufschiebbare Entscheidungen treffen musste. So machten sich acht der 19 Beiräte am 6. Dezember auf den Weg in den Sitzungssaal im Flughafen Klotzsche, wo Wintrich seine letzte von insgesamt rund zweihundert Stadtbezirksbeiratssitzungen leitete. Im Namen der Pieschener Beiräte übergaben Uwe Sochor und Raphael Grübler einen Präsentkorb als Dankeschön. Danach gab es Sekt und Häppchen und Musik.
Der Pieschener Stadtbezirksamtsleiter mag formal kein Bürgermeister sein, er kommt dem aber sehr nahe. Von außen ist es für die Bürgerinnen und Bürger nicht immer gleich sichtbar, was Herr Wintrich in seiner Amtszeit alles für den Stadtbezirk geleistet hat. Aber nimmt man alle Anfragen, Anträge, Rückfragen, Ortsbegehungen, Bebauungspläne und Fachplanungen zusammen, so wird es in Kaditz, Mickten, Pieschen, Übigau, Trachau und Trachenberge wohl kaum eine Straße geben, in welcher wir nicht die eine oder andere Spur seines Wirkens finden können. Der (Un-)Ruhestand ist wohl verdient und die Fußstapfen für den Nachfolger sind sehr groß.
„Es war ein toller Job“, konstatierte Christian Wintrich. Jetzt blickt er nach vorn. Zu Hause in der Garage wartet Arbeit, bei der das in den letzten Jahren nicht so geforderte Können als Maschinenbauingenieur gefragt ist. „Da stehen ein alter Spatz, eine Schwalbe und ein Motorroller Troll. Als erstes werde ich mir wohl den Spatz vornehmen“, beschreibt er seine Pläne. Und dann ist da ja auch noch der alte Trabi.