Im Mai 1922 wurde der am 21. November 1879 im württembergischen Schrozberg geborene Architekt Paul Wolf im zweiten Wahlgang zum Dresdner Stadtbaurat und Leiter des städtischen Hochbauamtes gewählt. Er trat damit die Nachfolge des Stadtbaurates Hans Poelzig (1869-1936) an, nach dessen architektonischen Entwurf die 1914 in Betrieb genommene Talsperre Klingenberg erbaut wurde. Außer dem Mausoleum für den ODOL-Fabrikanten Karl August Ferdinand Lingner (1861-1916) und dem Mosaikbrunnen im Großen Garten hat Hans Poelzig keine weiteren „Spuren“ in Dresden hinterlassen.
„Paul Wolf war sowohl in der Weimarer Republik, als auch im nationalsozialistischen Deutschland als Dezernent mit der Stadtplanung in Dresden beauftragt. In diesen 23 Jahren…“, so schreibt Ulrike Grötzsch in ihrer Dissertation über Paul Wolf (TU Hannover 1993) weiter, „…schuf er neben mehreren teils stadtbildprägenden Bauwerken auch städtebauliche Generalpläne, schrieb mehrere Bücher zu den Themen Städtebau, Stadtentwicklung und verfasste etwa 150 Beiträge für unterschiedlichste Architekturzeitschriften.“ Im Begleitheft zur Ausstellung „Paul Wolf-Stadtbaurat in Dresden“ (Deutscher Werkbund Sachsen 2001) wird darauf hingewiesen, dass „…Paul Wolf, nicht alles selbst entworfen hat. Er war Chef eines kommunalen Planungsstabes mit qualifizierten Mitarbeitern. Doch in Gestaltungsfragen hatte er das letzte Wort.“
Unter Nutzung eines Teils der Ruinen des „Hauses der Jugend“ wurde am 11. August 1950 mit dem „Hotel Astoria“ das erste neue Hotel in der zerstörten Stadt eröffnet und bis 1992 auch betrieben. Um Baufreiheit für ein nie realisiertes Fünf-Sterne-Hotel der Intercontinental-Gruppe mit 318 Zimmern und Suiten zu schaffen, wurde das „Hotel Astoria“ im Oktober 1997 abgerissen. Seit 2006 steht an der Stelle des Hotels nun ein Supermarkt. Wenn auch vieles dem Zweiten Weltkrieg oder Abrissen zum Opfer gefallen ist, eine Reihe der unter Paul Wolfs Verantwortung entstandene Bauten sind noch erhalten. Das trifft auch auf den Bereich des heutigen Stadtbezirkes Pieschen zu, wo noch Einzelgebäude, Gebäudekomplexe und Verkehrsbauten zu finden sind. Zu ihnen zählt auch das Städtische Krankenhaus Dresden-Neustadt.
Nach einer Bauzeit von knapp zwei Jahren wurde das Güntz-Altenheim am 7. November 1928 durch Dresdens Oberbürgermeister Bernhard Blüher (1864-1938) eröffnet. Der „Dresdner Anzeiger“ schrieb am Tag darauf: „Man muß sich freuen, daß die Stadt Dresden nicht nur auf hygienischem, schulischem und wirtschaftlichem Gebiet gerade in den vergangenen Jahren große Bauten beschloß und in Angriff nahm, sondern auch auf sozialem Gebiet hinter anderen Städten in keiner Weise zurückstehen will.“
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war das Altenheim zunächst Infektions- und Seuchenkrankenhaus, danach und bis heute ist es Standort des Städtischen Krankenhauses Dresden-Neustadt. Am 21. Juni 2021 wird der Dresdner Stadtrat voraussichtlich darüber entscheiden, ob im Rahmen des „Zukunftskonzept 2035“ das Krankenhaus in Trachau, seit 2017 Teil des Städtischen Klinikums Dresden, zum „Gesundheitsquartier“ umfunktioniert werden soll. .
Nicht weniger bekannt als das Krankenhaus Dresden-Neustadt ist die am 2. November 1929 zur Benutzung übergebene „vorbildliche Volksbadeanlage“, das heutige Sachsenbad in Pieschen, Das Gebäude, so die Architekturhistorikerin Dr. Heidrun Laudel (1941-2014) im „Dresdner Heft 1991/1“, ist „…gleichsam als Alternative zu den stereotypen Schmuckfassaden der Zeit um 1900 entwickelt. Als einfacher schmuckloser Kubus verkörpert es das ästhetische Ideal der Neuen Sachlichkeit“. Bis 1994 genügte das Sachsenbad im Wesentlichen den vorbestimmten Ansprüchen, dann wurde es geschlossen. Im Protokoll des Ortsbeirates Pieschen vom 15. November 1994 ist dazu vermerkt, dass die Maßnahmen zur Wiedereröffnung aber „…eine erhebliche finanzielle Belastung für die Stadt Dresden darstellen. Aus diesem Grunde ist der Verkauf an einen privaten Investor unter Festschreibung eines Nutzungsrechtes für die Stadt geplant.“ Aus der Planung wurde fast drei Jahrzehnte später Wirklichkeit: Der Dresdner Stadtrat beschloss am 13. Mai dieses Jahres den Verkauf des städtischen Sachsenbades an einen privaten Investor.
Die mit einem Kostenaufwand von 2,3 Millionen Mark erbaute und am 1. Oktober 1930 für den Verkehr freigegebene Flügelwegbrücke sowie die in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre vorgenommene Erweiterung des ehemaligen Obdachlosenheimes Altpieschen sind ebenfalls „stumme Zeugen“ des Wirkens von Paul Wolf im Dresdner Nordwesten. Nicht unerwähnt sollen der am 17. Oktober 1928 eröffnete Erweiterungsbau der 42. Volksschule in Übigau, das rechte Torhaus des in seiner Sachgesamtheit als Denkmal erfassten Dresdner Heidefriedhofs und die in dieser Zeit bezugsfertigen Wohnhaus-Neubauten Leisniger Straße Nr. 55, Großenhainer Straße Nr.61/63 und Robert-Matzke-Straße Nr.51/53 bleiben.
„Im März 1945 wurde Paul Wolf in den Ruhestand versetzt, fünf Jahre später aber als Oberreferent für Stadtplanung in das Ministerium für Aufbau der DDR berufen. 1952 trat er im Alter von 72 Jahren abermals in den Ruhestand.“ (Sächsische Biographie, Matthias Donath). Paul Wolf starb am 30. April 1957 in Leonberg (bei Stuttgart), beigesetzt wurde er auf dem Nürtinger Waldfriedhof.
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2 Kommentare zu “Brendler’s Geschichten: Wie Architekt Paul Wolf den Dresdner Nordwesten prägte”
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Im Artikel wird die Erweiterung des Obdachlosenheims Altpieschen erwähnt, welche der Gebäude sind da Paul Wolf zuzuordnen? Rein vom Erscheinungsbild würde ich Altpieschen 5, 5a, 15a und 15b vermuten, sind die damit gemeint?
Ja, dem ist so! Siehe u.a.“ Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen-Denkmaldokument“ (Obj.-Dok.-Nr, 09216211)