„Ich bin kein guter Gitarrist. Mir fehlt das Übungsgen. Darum bin ich kein Rockstar geworden.“ Das ist das große Glück für die vielen Gitarren, die in den letzten Jahren durch die fachkundigen Hände von Jan Steinbrecher gegangen sind. Statt den alten Lack zu retten, wären einige vielleicht einfach abgeschliffen und neu gestrichen worden, nennt der Gitarrenbauer ein Beispiel für den aus seiner Sicht frevelhaften Umgang mit einem alten Instrument. „Da sind dann schnell mal 50 Jahre Rock’n Roll verschwunden“, sagt er und beschreibt, wie groß der Einfluss der Beschichtung des Holzes auf die Klangeigenschaften ist.
Der 37-Jährige weiß viel darüber. Er hat sich als junger Mann einen von vier Plätzen an der Geigenbauschule in Mittenwald, nahe der Grenze zu Österreich, erkämpft. Danach kam er nach Dresden, hatte aber keine Chance auf eine Anstellung in seinem Beruf. Statt dessen arbeitete er in einer Holzbaufirma, die auf Restaurierungen spezialisiert war. So beschäftigte er sich mit der Reparatur und Aufarbeitung der verschiedensten Holzobjekte – zum Beispiel im Grassi-Museum, im Schloss Pillnitz oder in Moritzburg. „Ich habe viel gelernt bei diesen Holzarbeiten. Daher kommt mein restauratorischer Blick, der mir jetzt beim Umgang mit den Instrumenten sehr hilft“, erzählt er. Dieser Blick sorgt auch für ein Alleinstellungsmerkmal seiner Werkstatt für Gitarrenbau und Reparatur in der Erfurter Straße. Sie befindet sich in dem denkmalgeschützten Gebäude gleich neben dem Schulcampus Gehestraße. Fünf Jahre lang hat er halbtags restauriert und die Werkstatt nebenbei aufgebaut. 2013 hat er sich dann selbständig gemacht.
An der Wand und in einigen Schränken finden sich Gitarren, die einige Jahre auf dem Buckel haben. Jan Steinbrecher weiß, wer sie gebaut hat, manchmal hat er das auch aufwändig recherchiert. „Mancher Instrumentenbauer hat zu DDR-Zeiten seine Gitarren an den Musikhandel geliefert, ohne seinen Namen auf dem Instrument zu hinterlassen. Da kann man heute manchmal wahre Schätze entdecken, von denen die Besitzer gar nichts ahnen, wenn sie sie in die Werkstatt zur Reparatur bringen“, sagt Steinbrecher. Oft kämen die Kunden aber mit sehr viel profaneren Wünschen. Manche würden beim Wechseln der Saiten Hilfe benötigen, oder die Gitarre ist umgefallen und der Kopf ist abgebrochen. Es komme auch vor, dass eine industriell gefertigte Gitarre erst einmal spielbar gemacht werden muss. Da ist der Abstand zwischen den Saiten und dem Hals zu groß – oder es ist umgekehrt und die Saiten scheppern. Oder der Tonabnehmer bei einer E-Gitarre ist so dicht an den Saiten, dass diese klirren.
„Ich bin im Bereich der E-Gitarren einer der wenigen, die wirklich Gitarrenbauer gelernt haben“, verweist er neben seinem restauratorischen Blick auf ein weiteres Alleinstellungsmerkmal seiner Werkstatt. Auch bei diesen Instrumenten spiele das Holz eine wichtige Rolle. „Künstlich getrocknet – das geht gar nicht, weil das Holz nicht ordentlich schwingt“, ist er überzeugt. 2017, da war Jan Steinbrecher gerade mal vier Jahre selbständig mit seiner Werkstatt, hatten ihn alle einschlägigen Fachjournale entdeckt und über ihn berichtet. Die Belegexemplare liegen unter der Glasplatte des Couchtisches, der vor dem alten Sofa in der Werkstatt steht.
Damals war er auch das erste Mal auf einer Fachmesse und hat eine wichtige Lehre mitgebracht. „Ich habe begonnen, jedes Instrument, das ich baue, ordentlich durchzukalkulieren“. Das erwies sich als umso notwendiger, weil Jan Steinbrecher alles selbst macht. „Ich bin detailversessen. Bei mir gibt es nichts von der Stange.“ So sind selbst die Drehknöpfe, mit denen die Saiten gestimmt werden, Produkt seiner handwerklichen Fähigkeiten. Das würde man seinen Gitarren anmerken. „Die meisten Kunden gewinne ich, wenn sie eines meiner Instrumente in die Hand genommen haben.“ Das gilt vor allem für die von ihm entwickelte und gebaute E-Gitarre „Stromer“. Bis auf die Saiten ist alles selbst gefertigt. Heimisches Kirschholz für den Rumpf, Ahorn für den Hals, Sättel für die Saiten aus Rinderknochen. Allein für das Lackieren und Trocknen braucht es etwa sechs Wochen. Die Wartezeit für eine handgefertigte und individuell angepasste „Stromer“ liegt bei etwa acht Monaten.
Einen besonderen Bezug hat der Gitarrenbauer zu den Instrumenten mit DDR-Geschichte. Über dem Sofa hängen alte Fotos von Ost-Bands. Zu jeder Gitarre, die da zu sehen ist, kann er Geschichten erzählen. Eines der Exemplare hängt auch in dem Wandschrank. Er sei immer froh, wenn sich jemand mit einem alten Instrument meldet. Viel zu viel lande auf dem Wertstoffhof, sagt der Gitarrenbauer mit dem restauratorischen Blick und dem umfangreichen Expertenwissen zum DDR-Gitarrenbau.
Jan Steinbrecher, Gitarrenbau und Reparatur
Erfurter Str. 15
Online, Telefon und e-Mail
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