Der am 13. Juni 1872 in Bayerisch Gmain (bei Bad Reichenhall) geborene Architekt Johann Jacob Erlwein (genannt Hans Erlwein) wurde am 17. November 1904 nach Dresden berufen. Mit seinem offiziellen Amtsantritt als Stadtbaurat am 13. Februar 1905 und der Übernahme der Leitung des städtischen Hochbauamtes „…begann ein neuer Abschnitt in der Dresdner Stadtentwicklung. […] Er entwarf Schulen und Wasserwerke, Feuerwachen und Bedürfnisanstalten, Stadthäuser und Sparkassengebäude, städtische Wohnanlagen und Beamtenwohnhäuser“, schreibt Matthias Donath. (in: Matthias Donath, J. J. Erlwein, in Sächsische Biografie | ISGV e.V., Mai 2012)
In seinem Buch „Das alte Dresden“ (1984) beurteilt der Literaturwissenschaftler und Kunsthistoriker Fritz Löffler (1899-1988) das Schaffen des am 2. Juni 1910 zum „Stadtbaurat auf Lebenszeit“ gewählten Hans Erlwein mit den Worten: „Die Berufung […] leitete noch einmal eine neue, die letzte geschlossene, sichtbar heraustretende Bauepoche in Dresden ein.“ An anderer Stelle äußert sich Löffler wie folgt:„Die Fülle seiner Werke vermochte das Gesicht Dresdens in einem Maße zu verändern, für das sich in anderen Städten kein Vergleich findet.“
In den Jahren seines Wirkens als Dresdner Stadtbaurat entstanden nach seinen Plänen und unter seiner Verantwortung etwa 130 Bauten. Eine Reihe von ihnen bestimmt noch heute das Stadtbild. Im Stadtbezirk Pieschen sind es die Kaditzer Kläranlage, das Gymnasium am Pestalozziplatz, der „Erlweinhof“ und das Mietswohnhaus Bürgerstraße Nr.72, beide in Pieschen selbst, das Schulhaus der 56. Oberschule in Trachau sowie das Wohngeviert Wilder-Mann-Straße Nr. 6-8, ebenfalls in Trachau. Allesamt wurden sie in den letzten zwei Jahrzehnten saniert und stehen unter Denkmalschutz.
„Die aus mehreren Gebäuden bestehende Wohnanlage galt zum Zeitpunkt ihrer Erbauung als eine der modernsten in Deutschland und besaß Räume für 59 obdachlose Familien sowie für 110 alleinstehende Männer. Der zu den wichtigen Zeugnissen der Sozialfürsorge in Dresden gehörende Gebäudekomplex wurde 2003/05 saniert und beherbergt heute Mietwohnungen unterschiedlicher Größe.“ (aus Dresdner Stadtteile / L. Herrmann)
Stadtbaurat Hans Erlwein starb am 9. Oktober des Jahres 1914. Als Angehöriger des zivilen Automobil Corps hatte er eine Sendung von Geschenken an die deutsche Front in Frankreich begleitet. Bei einem Autounfall in der Nähe der französischen Gemeinde Rethel (Ardennen) verunglückte er tödlich.
Seine letzte Ruhestätte fand er auf dem deutschen Soldatenfriedhof in der französischen Gemeinde Noyers-Pont-Maugis. Am Ende des Gräberfeld für die Toten des Ersten Weltkrieges steht ein Gedenkstein mit der Inschrift: „In einem gemeinsamen Grabe ruhen hier 4.938 deutsche Gefallene des Ersten Weltkrieges, 4.847 blieben unbekannt!“
Das fast zehnjährige Wirken Hans Erlweins in Dresden, mit dem er zu einem Wegbereiter der „Neuen Sachlichkeit“ wurde, fand aber nicht nur Befürworter, sondern stieß auch auf Widerstand. Den „Gegnern“ gelang es, die angekündigte Überführung seines Leichnams nach Dresden, die öffentliche Trauerfeier und die Herausgabe seiner Monografie zu verhindern. Diese Umstände und der Streit um das jährliche Witwengeld mögen seine Ehefrau Marie veranlasst haben, mit der Tochter Elisabeth Dresden zu verlassen und sich bis zur Auswanderung nach Brasilien (Juli 1920) in der Landgemeinde Niederlößnitz und dort im Haus Karlstraße Nr.4 einzumieten.
Am 13. Februar 2020 jährte sich zum 115. Mal der offizielle Amtsantritt des Architekten Johann Jacob Erlwein als Dresdner Stadtbaurat. Er war unter anderem Gründungsmitglied der Dresdner Künstlervereinigung „Die Zunft“ und gehörte dem Deutschen Werkbund sowie dem Gewerbe-Verein zu Dresden an. In Würdigung seiner Verdienste vergibt die Stadt Dresden seit 1997 einen nach ihm benannten Preis. Die Preisverleihung 2020 ist für den Herbst vorgesehen.
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