Der zehnte Geburtstag des kleinen Verlages Salomo Publishing mit Sitz in Pieschen ist gefeiert. Gerade hat Verlegerin die Neuerscheinungen auf der Buchmesse in Leipzig präsentiert. Eine davon erscheint jetzt Ende März: „Der Aquarist“ von Michael Braun Alexander.
Jeder kennt ihn, den wohligen Schauder, der die Härchen im Nacken aufrichtet. Bei einer Nacht allein zu Haus, beim Schwimmen durch einen nächtlichen See, bei der Geschichte von der Nachbarin, die den offenen Bruch am Bein hatte, beim Adrenalinschub, wenn sich auf der Leinwand eine Kettensäge durch menschliches Gewebe frisst … Die Wohligkeit des Effekts hängt von der individuell benötigten Dosis des Schreckens ab. Michael Braun Alexanders Buch „Der Aquarist“ ist Stoff für Connaisseure des Kitzels.
Alexander zelebriert Leichenkellerpoesie mit sezierender Präzision, schwelgerischer Detailfülle und in gnadenlos schillerndem Realismus. Sein Roman dehnt die Stimmung eines Gottfried-Benn-Gedichts auf 138 Seiten aus. Sekrete, offene Wunden, weiches Fett, erstarrte Muskeln, Kleintiere in Todeskrämpfen: Der Autor scheut keinen Zustand der Körperlichkeit und widmet sich besonders ausführlich den morbiden.
Im Mittelpunkt der Handlung steht der Junge Jochen, der im bedrückenden Umfeld der Peripherie einer namenlosen Kleinstadt als Spross einer Plattenbau-Familie, Vater Friedhofsgärtner, Mutter Taxifahrerin, aufwächst. Jochen, von Beruf Leichenwäscher, in seiner Freizeit leidenschaftlicher Tierquäler und gelegentlicher Bordellgänger, entwickelt sich vom Sonderling mit sadistischen Neigungen zum Frauenmörder – ein Ereignis, das das Buch gleich zu Beginn verkündet und auf das die Handlung in der Folge linear wie auf einen Höhepunkt zusteuert.
Jochens Hobby, sich selbst Punkte für gemeuchelte Tiere von der Ameise bis zum Pferd zu verleihen und seine Metzeleien filmisch zu dokumentieren, bleibt von der rüstigen Nachbarin Getrud Seelendorf, aus deren Perspektive die Geschichte erzählt wird, nicht unerkannt. Sie ist es, die heimlich seine Hefte an sich nimmt, als die Polizei nach dem Mörder Jochen fahndet und den Leser an ihrem exklusiven Wissen teilhaben lässt.
Ihre Nachsichtigkeit und Abgeklärtheit gegenüber Jochens Greueln steht ebenso wie der unaufgeregte Erzählstil in hartem Kontrast zu den gnadenlos minutiösen Schilderungen pürierter Schildkröten und getoasteter Welse und schafft eine beinah unerträgliche Normalität der Grausamkeit.
Michael Braun Alexander ist Journalist und Schriftsteller. Er war Chefredakteur eines großen Wirtschaftsmagazins, Autor bei großen Frauenzeitschriften, hat mehr als einhundert Reiseberichte geschrieben. Er berichtete als Korrespondent für Zeitungen und Zeitschriften aus London, Mumbai und New York. Heute ist er Kolumnist bei der Bild am Sonntag.
Michael Braun Alexander ist 1968 in der Nähe von Hamburg geboren und aufgewachsen. Seit fünf Jahren pendelt er zwischen Berlin und Indien. Er hat Wirtschaftswissenschaften und Politik in Oxford, Bologna und Washington D.C. studiert und bislang sechs Romane und fünf Sachbücher veröffentlicht. „Der Aquarist“ ist sein zweiter Roman, der bei salomo publishing – am 30. März – erscheint.
Alexander stattet den schweigsamen, eigenbrötlerischen Jochen mit klassischen Attributen eines „Psychos“ aus: „Arktisaugen“, mangelnde soziale Kontakte, ein unattraktives Äußeres, schlechte Schulnoten, schleichendes Laufen entlang von Wänden, ein Folterkeller, ein wenig salonfähiger Beruf, Freude am Vergiften von Tauben im Park und schließlich, als besonderes Talent im Stile von Süskinds Grenouille, die Fähigkeit, Leichen durch das Abtasten mit den Fingern zu „hören“. Alexander beschwört den Horror des wunderlichen Nachbarn herauf, von dessen Machenschaften alle bereits ahnten, aber keiner zu wissen wagte.
Alexander kreiert ein saftig ausgestattetes Panoptikum des Siechen, Verwesenden, Sexuellen, der sadistischen Frohlockung und des sumpfigen Milieus. Er verlagert sich bei Annäherung an das Menschliche auf die Beleuchtung des Verfalls. Der Leser ist einem Wechselspiel zwischen Anrührung und Abscheu unterworfen und wird selbst zum schweigenden Zeugen der Taten, die in Treppenhäusern, Kellern und auf Viehweiden ihren unausweichlichen Verlauf nehmen.
Als einzige bürdenlose, lebensfrische und begehrenswerte Akteurin betritt Angelique, genannt „Angel“, als neue Nachbarin Jochens die Randsiedlungs-Tristesse. Aus dem biederen, von der Last der Vergangenheit niedergedrücktem Umfeld Jochens, steigt ihre Gestalt wie ein Stern auf. Die unerreichbare Schöne ist es, die Jochen endgültig zum Biest werden lässt.
Michael Braun Alexander schafft es, dass der Leser im Anschluss an die Lektüre in einem Pürierstab nie wieder ein schlicht ein Küchengerät sehen wird.
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