„Rechtzeitig zu Beginn der industriellen Revolution“, so schreibt Dr. Ludwig Jenchen (Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest) in der von 2006 bis 2011 erschienenen Nordwest Rundschau, „ erreichte als kostbares Importgut aus England die mobile Dampfkraft in Form der Leipzig-Dresdner Eisenbahn auch das Königreich Sachsen.“
In diesem Jahr kann obengenannte Eisenbahn auf eine 180-jährige Tradition zurückblicken, denn am 7. April 1839 wurde sie als erste deutsche Ferneisenbahn mit drei Sonderzügen eingeweiht.
Nach der Freigabe für den öffentlichen Betrieb (9. April 1839) setzten sich von Leipzig und von Dresden aus täglich zwei Reisezüge um 6.00 Uhr und um 15.00 Uhr in Fahrt. Sie erreichten nach drei Stunden und fünfzehn Minuten ihre jeweiligen Zielbahnhöfe. Die damals 114,9 Kilometer lange und zunächst nur eingleisige Strecke konnte ab Oktober 1840 durchgehend zweigleisig befahren werden.
Die Leipzig-Dresdner Eisenbahn ist mit dem Wirken des Nationalökonomen Daniel Friedrich List (1789-1846), des Ingenieurwissenschaftlers Johann Andreas Schubert (1808-1870), des Ingenieurs Major a. D. Karl Theodor Kunz (1791-1863) und des Unternehmers Gustav Harkort (1795- 1865) untrennbar verbunden.
Dabei gebührt die Ehre der Anregung zum Eisenbahnbau Daniel Friedrich List, der nicht nur als Initiator des ganzen „Eisenbahn-Unternehmens“, sondern auch als Wegbereiter eines freien Warenverkehrs ohne Zollschranken gilt. Er machte 1833 seine Gedanken über Eisenbahnen in Sachsen und Deutschland in einer Schrift öffentlich und hob darin die Eisenbahn zwischen Leipzig und Dresden besonders hervor.
Daniel Friedrich List, am 6. August vor 230 Jahren im württembergischen Reutlingen geboren, hatte Deutschland 1825 verlassen und seinen Wohnsitz in New York genommen. Dort erwarb er sich als Redakteur, Unternehmer, Eisenbahn- und Wirtschaftsfachmann großes Ansehen. 1830 erhielt er das amerikanische Staatsbürgerrecht, 1832 kehrte er nach Deutschland zurück.
Von Lists Idee, eine Eisenbahn von Leipzig nach Dresden anzulegen, mussten seine Zeitgenossen jedoch erst überzeugt werden. Es gelang ihm, dass 1835 eine Reihe vermögender Leipziger Bürger innerhalb von zwei Tagen 1,5 Millionen Taler für den Bau einer solchen Eisenbahnstrecke aufbrachten.
Am 24. April 1837, dem Tag der Inbetriebnahme der ersten Teilstrecke von Leipzig nach Althen, gehörte er zu den Ehrengästen.
Daniel Friedrich List, von vielen seiner Zeit auch missverstanden und von ständigen Existenzängsten geplagt, nahm sich am 30. November 1846 in Kufstein (Österreich) das Leben. Auf dem dortigen Friedhof wurde er bestattet.
An die „Eisenbahnpioniere“ Johann Andreas Schubert, Karl Theodor Kunz, Gustav Harkort und Daniel Friedrich List erinnern in Dresden sowohl Straßen und Plätze als auch Denkmale und Gedenktafeln.
So trägt seit 1898 die Kunzstraße in der Leipziger Vorstadt den Namen des Projektanten und Oberbauleiters der Leipzig-Dresdner Eisenbahn, an den auch eine Gedenktafel am Neustädter Bahnhof erinnert. Im Zusammenhang mit dem Bau des Bahnbetriebswerkes Pieschen als „Maschinenbahnhof“ wurde ebenfalls in der Leipziger Vorstadt 1898 eine der neu angelegten Straßen nach dem Unternehmer und Vorsitzenden der „Leipzig-Dresdner Eisenbahn-Compagnie“ Gustav Harkort benannt.
1946 erhielt im Rahmen der Straßenumbenennungen die im Jahre 1873 benannte Werderstraße in der Dresdner Südvorstadt den Namen Andreas-Schubert-Straße.
Während der Friedrich-List-Platz erst 1962 seinen heutigen Namen erhielt, trägt die Liststraße in der Leipziger Vorstadt ihren schon seit 1898. Letztgenannte wurde 1910 beiderseits mit Zerr-Eichen bepflanzt, die seit 1999 wegen ihrer Seltenheit als Naturdenkmal ausgewiesen sind. Außerdem befindet sich an der Liststraße ein Eingang zu den fast 30 Gärten des 1892 gegründeten Kleingartenvereins „Am Güterbahnhof Dresden-Neustadt“.
Heutzutage beträgt die planmäßige Reisezeit, die der ICE für die knapp 100 Kilometer zwischen dem Bahnhof Dresden-Neustadt und dem Leipziger Hauptbahnhof benötigt, eine Stunde und acht Minuten. Im „Eilzugstempo“ durchquert er dabei auch Pieschen, dessen „erboste“ Bauern 1837 die „Zerreißung ihrer Grundstücke und Fluren und den Rückgang der Fruchtbarkeit durch Rauch- und Dampfbelästigung befürchteten.“ So steht es jedenfalls im Band III der Sächsisch-deutschen Geschichte aus dem Jahre 1910.
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3 Kommentare zu “Brendler’s Geschichten: Vor 180 Jahren wurde die erste Ferneisenbahnstrecke Deutschlands eröffnet”
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Hi Redaktion,
beim ersten Bild handelt es sich lediglich um einen IC, erkennbar an der Bauweise der Waggons.
Ansonsten ein toller Artikel, vielen Dank dafür!
Für diesen Hinweis vielen Dank! Klaus Brendler
Dresden und Sachsen verplempert historisches Potential!
Nach der Spaßerprobungsbahn Nürnberg-Führt 1835 erkannten sächsische Techniker die Möglichkeiten der neuen Fortbewegungsart und bauten die erste auch industriell nutzbare Eisenbahn zwischen der Handels- und Messestadt Leipzig und der Residenzstadt Dresden.
Vom ersten wirklichen Fernbahnhof Deutschlands sind in Dresden noch Strukturen und Gebäude vorhanden. Logisch wäre, das Verkehrsmuseum an diesem Ort anzusiedeln. Aber Dresdner Starrsinn ist bekannt dafür dass in DD Logik keine Chance hat.
So werden die verschiedenen Verkehrsmittel in einem engem Renaissancegebäude zusammengepfercht. Vorführungen auf vorhandenen Schienen; Darstellung von Regelanlagen u.a. kann nur an Modellen erläutert werden.
Dabei gäbe es nicht nur vernünftige Gründe dort nicht nur den sächsischen Gründergeist zu feiern. Auch an Dresdens braune Zeiten erinnert der Ort. Vom Gleis 1 fuhren die Transporte nach Auschwitz und in andere Vernichtungslager.
Viele Gründe, dort statt Kaufrausch und Mietwucher einen wichtigen Identitätspunkt zu beleben.