Mit einer stadtweiten Sternlesung unter dem Motto „Zwischen Sprachsensibilität und Propagandaphrasen – literarische, politische und alltägliche Texte aus 100 Jahren“ wollen Autorinnen und Autoren am Sonntag an Victor Klemperer erinnern. Am 11. Februar jährt sich der Todestag des Schriftstellers, Chronisten und Politikers zum 58. Mal. In Pieschen, Gorbitz, Striesen, in der Altstadt und in der Neustadt werden, initiiert vom Literaturhaus Villa Augustin, „ganz unterschiedliche Texte verschiedener Autoren“ präsentiert.
Undine Materni, Schriftstellerin und Lektorin aus Pieschen, ist eine von ihnen. Sie hat sich für den österreichischen, jüdischen Poeten Theodor Kramer entschieden. Im Ladenatelier von Kati Bischoffberger in der Oschatzer Straße 5 will sie seine Dichtkunst aufleben lassen. Theodor Kramer, der 1897 in Wien geboren wurde, ist ein „Wortsüchtiger, Reimbesessener. ein Schreibender, der der Welt nichts nachsagen wollte, sondern der sie schreibend erkundete. Seit seinem 14. Lebensjahr trieb es ihn, Verse zu schreiben; für ihn war dies eine Sucht, vergleichbar der nach Schnaps oder Morphium“, sagt Undine Materni. Die stetigen Warnungen Kramers vor jeglicher Menschenverachtung würden sehr gut mit ihrer eigenen Gerechtigkeitsliebe korrespondieren, fügt sie hinzu.
Die Nazis setzten Kramers Bücher auf die „Liste des schändlichen und unerwünschten Schrifttums“ und sorgten 1938 für dessen Berufsverbot. Er emigriert nach England, kehrt nach dem Krieg nach Wien zurück, wo er 1958 stirbt.
Kramer sei bekannt für sein Feld-, Asphalt-, Trink-, Stundenhotel-, Liebes- und Altersgedichte. Bei ihm, so die Schriftstellerin, fänden sich keine kühnen Metaphern oder sprachlichen Experimente, ein Versmaß sei regelmäßig wie eine Drehorgel. So wundere es kaum, dass man diesen Dichter heute oft singend vor dem Vergessen zu bewahren versucht. Singen, so Materni, werde sie nicht. Mit Franziska Hauer habe sie aber eine exzellente Akkordeonspielerin als Begleitung mitgebracht.
WAS: Undine Materni liest Theodor Kramer, Sternlesung des Literaturhauses Dresden
WANN: Sonntag, 11. Februar, 15 Uhr
WO: Ladenatelier Kati Bischoffberger, Oschatzer Str. 5
2 Kommentare zu “Sternlesung: Undine Materni präsentiert Werke des Lyrikers Theodor Kramer”
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Bei Kati Bischoffberger gleich um die Ecke, im ehemaligen Filmtheater „Faunpalast“, konstituierte sich am 23. September 1945 der „Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“ zum Landesverband Sachsen. Die Teilnehmer an dieser Veranstaltung waren dem am Vortag in der „Volkszeitung“ veröffentlichten Gründungsaufruf gefolgt, der u. a. auch die Unterschriften der Tänzerin Gret Palucca, der Schauspielerin Antonia Dietrich und des Romanisten Victor Klemperer trug. Ein halbes Jahr später wird Letztgenannter zum Ersten Vorsitzenden der am 3. März 1946 gegründeten Kulturbund-Ortsgruppe Dresden gewählt.
Gründungsort der Ortsgruppe Dresden des Kulturbundes war am 3. März 1946 der große Saal des ehemaligen Goehlewerkes auf der Riesaer Straße in Pieschen.