Wer durch Haus, Hof und Garten von Cornelia Stollberg und Anja Osiander lustwandelt, der kann sich schwer vorstellen, dass dieses Paradies aus einer Schutt-Wüste erwuchs. Wildromantisch und stilecht fügt sich das kleine Anwesen in die Alttrachauer Szenerie ein. Das Land, wo die Bohnen blühen, musste erst mit viel Mühe ur- und fruchtbar gemacht werden. Heute gehört das weitläufige Grundstück zur grünen Lunge Pieschens und ist stadtweiter Anlaufpunkt für Connaisseure.
Ich begegnete Cornelia Stollberg erstmalig im Sommer, als ich Imker Heiko Tümmler interviewte, dessen Bienenvölker hier zwischen der Vielzahl der Blüten umhersummen. Die Beete waren noch im ausgedorrten Zustand eine Pracht. Cornelia Stollberg war der Schmerz über die durstenden Pflanzen ins Gesicht geschrieben. Jetzt, nach den ersten herbstlichen Regenschauern sind die Lage und ihre Züge entspannter. Hoch strecken sich Radicchio und Mangold, die feingefiederten Äste des Spargels wippen im Wind. „Gestern Nacht war die Bienentränke zum ersten Mal überfroren“, berichtet Cornelia. Deshalb liegen auf dem flachen, breiten Fensterbrett im „Cottage“, wie ich das Wohnhaus innerlich taufe, bunte Paprikaschoten. Geerntet aus Gründen der Vorsorge am Vorabend. Aber auch die zurück gebliebenen haben neben Auberginen und Tomaten die erste Kühle überstanden. Gekauft werden Obst und Gemüse bei Cornelia Stollberg direkt von Baum und Beet. Wein und Marmelade gibt es im Hofladen.
Zum Gärtnern kam Cornelia über den Garten der Großeltern. Als diese verstarben, mussten die 12 Quadratmeter Dachterrasse in der Wohnung auf der Königsbrücker Straße genügen – da war nicht ausreichend Platz für große Blütenträume. Cornelia machte sich auf die Suche und wurde 2007 in Alttrachau fündig. Eine Erbengemeinschaft bot das mit Garagenruinen übersäte Grundstück an, überwuchert mit Brombeergestrüpp und Hopfen. Aber da waren die alten Obst- und Nussbäume, die den Ort prägen … Cornelia Stollberg und Anja Osiander entschieden sich zum Kauf und stellten sich erfolgreich dem Berg Arbeit und den Anforderungen des Denkmalschutzamtes. Fünfhundert Tonnen Bauschutt wurden mithilfe einer Baufirma abgetragen, zweihundert Tonnen Muttererde aufgefüllt. Örtliche Handwerker vermittelten und verbauten originale Materialien, um das heutige Wohnhaus so zu gestalten, dass es nicht aus der Gesamtoptik der Siedlung herausfällt. Das Dach beispielsweise besteht aus Schindeln einer Kirche in Röhrsdorf, sagt Cornelia.
Wir sitzen beim Kaffee in der Wohnküche des Cottage. Holzbalken, an denen Kräuterbündel trocknen, ein weißer Kachelofen, tiefe Fenster, kalligrafische Schriften und Notizen auf kleinen Schreibtischen. Zum Kaffee, der nach arabischem Gewürz duftet, werden kleine bunte Tomaten wie Pralinés gereicht. Sie ranken sich in dichten Rispen an der Wand des Hofladens empor, der einstmals eine Scheune war, und tragen klangvolle Namen wie Dattelwein und Tear Drop. Das Wachsen und Gedeihen ist ein Charakteristikum des idyllisch erschaffenen Ortes. Aus den Fugen zwischen den Gehwegplatten aus Naturstein quillt wolliger kleinblättriger Thymian und muss nicht befürchten, weg geätzt oder abgebrannt zu werden. Unkraut ist eine Bezeichnung für Kräuter, deren Nutzen man nicht kennt.
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit – das gilt auch für die Gartenkunst. Die Weinhandlung Stollberg hatte ihren Sitz ursprünglich auf dem Bischofsweg in der Neustadt. Mit dem Gedeihen des Gartens in Pieschen entstand der Wunsch, den Lebensmittelpunkt und die Weinhandlung dorthin zu verlegen. „Das war in der Zeit, als die Bindungsfristen in der Neustadt endeten und das große Kaufen und Verkaufen los ging“, erinnert sich Cornelia. Der Vermieter verkaufte peu á peu alle Mieteinheiten im Haus. Eine Alternative in der Neustadt war zu teuer. Der Umzug „ins Grüne“ lag nah und erfolgte 2011. Hier öffnet Cornelia den Laden an drei Tagen der Woche, während der restlichen Zeit hat sie „den Rücken für den Garten frei.“
Cornelia Stollberg ist gelernte Winzerin. Im Herbst ’83 begann sie ihre Lehre in Dresden. Im April ’84 bekam ihre Familie die Ausreise aus der DDR bewilligt und Cornelia beendete ihre Lehre im Rheingau. Als Frau war sie in ihrem Metier im Westen eine Exotin, wie sie erzählt, und konnte schwer Fuß fassen. Sie holte ihr Abitur nach und arbeitete in anderen Branchen. Im Oktober 1990 kam sie zum ersten Mal nach ihrer Ausreise wieder nach Dresden und verliebte sich neu in die Stadt. Zurück in Darmstadt, wo sie mittlerweile lebte, suchte sie nach einer Stelle in Dresden. Schicksalhaft erscheint ihr, wie sich alles fügte und sich ihr Wunsch erfüllte. Exakt sieben Jahre nach der Ausreise gab sie ihre Einstandsfete in der Neustadt, in der Louisenstraße 3.
Pflanzen verzweigen sich zum Wachsen. Das gilt auch für das Gärtnervölkchen. Wie die Pusteblumen ihre Samen verstreuen, tauschen auch sie ihr Saatgut, linsen über Gartenzäune, kosten fremdes Obst, befruchten sich gegenseitig mit Ideen, erfragen das Unbekannte. „Man gibt so gern ab“, sagt Cornelia und überreicht zum Abschied Saatgut für die genossenen Pralinés und eine duftige Pfirsichmarmelade.
Alttrachau 31
Geöffnet Donnerstag und Freitag 14 bis 19 Uhr, Sonnabend 10 bis 16 Uhr
www.weinhandlung-stollberg.eu
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