Plötzlich war der Dienstag ein ganz normaler Tag. Geschäfte waren geöffnet, Kinder gingen in die Kita. Hier und da gab es mehr freie Parkplätze als sonst an einem Wochentag. Einige Kleinunternehmer rechnen mit finanziellen Einbußen. Wer seine Auswärts-Unterkunft nicht mehr stornieren konnte, ärgert sich, dass er auf den Kosten sitzen bleibt. Dennoch überwiegt die Erleichterung. Wir haben uns bei einigen Betroffenen umgehört.
Ambulanter Pflegedienst Mirko Junge
Es war alles organisiert. Die Senioren hatten schon im NH-Hotel eingecheckt, ihre Sachen auf das Zimmer gebracht und sich auf eine Nacht außerhalb der eigenen vier Wände eingestellt. Dann platzte die Nachricht herein: Die mutmaßliche Bombe ist ein Wasserrohr mit Muffe. Mirko Junge, Geschäftsführer des gleichnamigen ambulanten Pflegedienstes muss ein bisschen lachen, als er das erzählt. „Schnell war klar, alle wollen wieder nach Hause.“ Also hieß es: Kommando zurück. Die sieben Senioren, die Montagabend ihre Wohnung bereits verlassen hatten, klemmten sich ihre Sachen unter die Arme und fuhren wieder nach Hause. „Alle sind wohlbehütet in ihren vier Wänden angekommen“, erklärt Junge. „Dort werden sie wie immer von uns versorgt.“
Was sich hier als leichte Episode liest, ist kleinteilige Organisation. Gleich nach der Veröffentlichung der Evakuierungspläne ackerte Junge die Datenbank durch, 15 seiner Patienten waren betroffen. Er hat sie angerufen, aufgeklärt, Angehörige informiert und Lösungen erwogen. Er hat Dienstpläne geordnet und Routen neu erstellt. Die Entwarnung erreichte ihn am Telefon. „Ich war selbst gerade beim Patienten. Plötzlich riefen mich meine Mitarbeiter an und fragten, wann sie morgen zum Dienst kommen sollten. Die Evakuierung sei aufgehoben“, sagt Junge.
Wieder viele Telefonate. Mit Patienten, Angehörigen, Mitarbeitern. Wieder neue Dienstpläne und Routen. „Das war ein aufregender Tag“, bilanziert Junge. „Ich bin froh, dass ich so viele Mitarbeiter habe, die alle mitgezogen haben.“ Viele seien letztlich von der geplanten Evakuierung selbst betroffen gewesen, hätten nicht nur die Arbeit, sondern auch die Unterkunft für sich und die Familie organisieren müssen. Auch Mirko Junge hätte seine Wohnung verlassen müssen. Doch um eine neue Bleibe hatte sich der Pflegedienstleiter noch gar nicht gekümmert in dem ganzen Trubel. Zum Glück durfte auch er dann zu Hause bleiben.
Sehrish Khan, Inhaberin des Friseursalons „Sehrish Khan“
Die Friseurin sitzt am Dienstag in einem Dresdner Café am Altmarkt. „Ich wurde von den Kunden und meinen Mitarbeitern über die geplante Evakuierung informiert“, erzählt die gebürtige Pakistanerin. Vor knapp einem Jahr hat sie ihren Salon und Barbershop in Dresden Pieschen eröffnet. Zu ihrem Stammklientel gehören heute junge Frauen und Männer ebenso wie ältere Damen und Herren, Geschäftsleute, Hochzeitsgäste und Vollbart-Träger. Sehrish Khan ist eine Frau der Tat und zögert nicht lange. Zack, hatte sie die Stadtverwaltung angerufen, Zack, war die Evakuierung bestätigt. Zack, war die Entscheidung da: „Wir schließen den Salon für einen Tag“, erklärt Khan. Weil nicht klar gewesen sei, wie lange die Entschärfung dauert, habe sie ihren Angestellten den Mittwoch gleich mit frei gegeben. „Ich habe mich als Chefin sozusagen als Springer und in Bereitschaft für den Mittwoch gestellt.“ Der Dienstag wurde zum Bürotag umdisponiert.
Daran änderte auch die Entwarnung und die aufgehobene Evakuierung nichts. „Meine Mitarbeiter hatten sich auf den freien Tag eingestellt“, sagt Khan. „Ich kann ja nicht von ihnen erwarten, dass sie alle ihre Pläne urplötzlich wieder umwerfen – wenn es nicht unbedingt sein muss.“ Ja, natürlich habe sie auch Umsatzeinbußen. „Das ist nicht schön. Doch Sicherheit geht vor“, fügt sie hinzu. Dann wird die junge Frau plötzlich nachdenklich. „Es ist es traurig, dass noch Bomben in der Erde liegen. Eigentlich sollte es bei den Menschen ‚Klick machen‘, wie wichtig Frieden ist.“
Alex Falk und Raik Schönig, Schiffsherberge Pöppelmann im Neustädter Hafen
Alex Falk hatte extra noch alle Gäste abgeklappert und enttäuschte Blicke kassiert. „Nein, leider gibt es kein Frühstück am Dienstagmorgen“, hatte er noch erklärt. Zeit zum Ausschlafen gebe es auch nicht, keine Ausnahmen. Um 7.30 spätestens sollten alle Gäste das Schiff verlassen. Schließlich muss das Viertel laut Anordnung der Stadt evakuiert werden. Dann kam alles ganz anders. Alle Anwohner durften bleiben. Seine letzten verbliebenen Gäste checkten trotzdem Dienstagvormittag aus – schließlich hatten sie ihren Aufenthalt und Urlaub jetzt so geplant.
Dienstagmittag steht Falk an der Rezeption der Schiffsherberbe Pöppelmann. Auf dem Schiff ist es still, vor ihm leuchten die bunten Reservierungs-Balken auf seinem Bildschirm. Sieht eigentlich ganz schön aus, wenn nur die Einbrüche da nicht wären. „Normalerweise sind unsere 154 Betten fast ausgebucht“, erklärt Falk. Nach dem Bekanntwerden der Evakuierungspläne habe man jedoch vielen Gästen absagen müssen und den Termin geblockt. Das hat Folgen. „Wir rechnen mit Umsatzeinbußen von etwa 2.000 Euro sagt Raik Schönig, Geschäftsführer der Schiffsherberge. „Unsere Versicherung zahlt den Verdienstausfall nur, wenn die Bombe explodiert wäre.“
„Trotzdem“, das stellt der Hotelier klar. „Wir sind froh, wie es gekommen ist, dass niemand Schaden davongetragen hat.“ Schönig lacht. „Und ein bisschen lustig ist es auch“. Wer habe gedacht, dass die gefährliche Bombe auf einmal nur ein Wasserrohr sein könnte. Warum dies allerdings erst so kurzfristig analysiert werden konnte, „das bleibt das große Fragezeichen“.
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