Allein schon für dieses Staunen war der Abend ein gelungener: Wie viel musikalisch-jugendlichen Esprit ein Mann versprühen kann, der auf die 90 Jahre zugeht. Tatsache: Chris Barber wird im nächsten Frühjahr 88 und wie er und seine Posaue miteinander verwachsen sind, ist der beste Beweis, dass jazzige Töne ein idealer Jungbrunnen sind. Einen Tag nach dem Auftakt der diesjährigen Jazztage – mittlerweile das größte Festival des Genres in Deutschland – lud der Grandsigneur des Jazz mit seiner Band am Freitagabend zu einem Zusatzkonzert ins Erlwein Capitol. Das war nötig geworden, weil der bereits zuvor fest anberaumte Termin am Sonnabend in der Staatsoperette recht schnell ausverkauft war. Und so jazzten die zehn Herren sich mit viel Vergnügen auch durch den Freitagabend.
Bewegung auf der Bühne
Wie schon gesagt: Chris Barber ist einer der ältesten lebenden Jazzmusiker, zählte mit seinen Mannen bereits in den 50er Jahren zu den bekanntesten und beliebtesten Dixielandgruppen Europas mit New-Orleans’scher Jazzprägung – und man merkt ihm das beim Spielen keine Minute lang an. Lediglich die Moderationen, die der Brite immerhin in fast akzentfreiem Deutsch rüberbrachte, waren mitunter etwas vernuschelt.
Aber sobald die Instrumente erklangen, unter anderem Posaunen, Trompeten, Saxofone und Klarinetten, wurde sehr schnell klar, dass hier nicht nur eine der altehrwürdigsten Formationen, sondern auch die oberste Liga des Genres auf der Bühne steht. Bewegung entstand nicht nur, weil die Musiker auch während der Songs kamen und gingen, sondern auch mit der Musik selbst. So schlichen sich die Instrumente beim „When the Saints go marching in“ vorsichtig an, um dann kurz aufzutrumpfen, um die Ecke zu biegen und in einen Hopserschritt zu verfallen. Weiter ging es – bildlich gesprochen – vergnügt spazierend im Kreisverkehr, dann ein paar Schritte zurück, wieder um die Ecke, verfallend in einen gemächlichen Spazierschritt, um dann letztlich zum Sprint anzusetzen. Ein außerordentliches Vergnügen für das Publikum, welches dies auch immer wieder mit Zwischenapplaus kundtat.
Munter durch die Jahrhunderte
Vielleicht braucht es ja eine fast 70-jährige Bühnenerfahrung, um Jazz so körpereigen und sinnstimmig darzubieten. Aber einige Bandmitglieder waren durchaus jünger und ebenfalls sehr nah dran an der Perfektion. Und so schickten nicht nur die Weißhaarigen die schwarze Musik gekonnt in den Raum, ließen die Instrumente posaunen, trompeten oder saxofonen – und gleichzeitig wehklagen, schwärmen, jauchzen, ja erzählen von den tiefsten bis in die höchsten Töne. Dabei ging es munter durch die Jahrhunderte – mit einer Mischung alter und neuer Titel, kombiniert mit den Klassikern des Jazz und Blues, man denke nur an die „Bourbon Street Parade“, Miles Davis’ „All Blues“ oder die schon zur Dixie-Hymne gewordene „Ice-Cream“. Und obwohl es vielleicht ungerecht gegenüber en anderen um Chris Barber agierenden Musikern ist, sollen von diesen neun Männern noch zwei herausgehoben werden: Pete Rudeforth mit seiner Trompete und Bert Brandsma, der virtuos sowohl mit Klarinette als auch Tenorsaxofon überzeugte.
Die Dresdner Jazztage sind noch bis zum 26. November zu erleben – mit insgesamt 68 Konzerten in 21 Spielstätten, 350 Künstler aus 20 Nationen.
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