turnerkreuz Leisniger Straße 53

Brendler’s Geschichten: Von Turnerkreuz, Turnverein und einer Turngerätefabrik

„Frisch, fromm, fröhlich, frei!“ waren die Erziehungsideale des Friedrich Ludwig Jahn (1778-1852), der unter diesem Motto am 18. Juni 1811 den ersten deutschen Turnplatz auf der Hasenheide bei Berlin eingeweiht hatte. Als Begründer der bürgerlichen Turnbewegung in die Geschichte eingegangen, machte Turnvater Jahn mit der Einführung von Barren, Reck und Hanteln das Turnen in deutschen Landen erstmals populär.

Allgemeiner Turnverein Dresden-Pieschen

Leisniger Straße Nr.53

Am Haus in der Leisniger Str. 53 findet sich auch Turnvater Jahn und das Turner-Motto. Foto: K. Brendler

So wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sachsen eine große Anzahl Turnvereine gegründet. Zum Beispiel waren 1895 im damaligen bürgerlichen Mittelelbe-Turngau insgesamt 30 Vereine mit etwa 10.000 Turnern eingeschrieben. Dreizehn dieser Vereine gehörten zum Stadtbezirk Dresden, darunter der 1878 gegründete „Allgemeine Turnverein Dresden-Pieschen“.

Das sogenannte Turnerkreuz – zu sehen am Haus in der Leisniger Straße 53 und im Zaunfeld an der Bushaltestelle Am Trachauer Bahnhof – hängt ursächlich mit dem Wirken von Turnvater Jahn zusammen. Den Turnerwahlspruch „Frisch, fromm, fröhlich, frei!“, ein alter Studentenspruch des 16. Jahrhunderts, hatte er 1816 in dem mit Ernst Wilhelm Bernhard Eiselen (1793-1846) herausgegebenen Buch „Die deutsche Turnkunst, zur Einrichtung der Turnplätze dargestellt“ in ähnlicher Formulierung gebraucht.

Vier „F“ werden zum Turnerkreuz

Am Trachauer Bahnhof 7

Turnerkreuz im Zaun: Am Trachauer Bahnhof 7. Foto: K. Brendler

Die vier symmetrisch in der Form eines Kreuzes angeordneten „F“ dieses Wahlspruchs stehen für: „Frisch ans Werk“, „Fromm im Glauben an die Gemeinnützigkeit und Wertbeständigkeit des Schaffens“, „Fröhlich untereinander“ und „Frei und offen in allem Handeln“. Zum Turnerkreuz hatte sie im Jahre 1844 der Darmstädter Kupferstecher und Drucker Johann Heinrich Felsing (um 1800-1875) zusammengestellt.

Da das 1900 fertiggestellte mehrgeschossige Wohnhaus an der Leisniger Straße 53 vom „Allgemeinen Pieschener Turnverein“ als Vereinshaus erbaut wurde, hieß die Gaststätte im Erdgeschoss auch „Turnerhaus Pieschen“, später „Turnerschänke“. Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges befanden sich ab 1947 in ihren Gasträumen eine „Volksküche der Volkssolidarität“ und eine „Wärmestube“. Ende der 1940er Jahre stellte die „Turnerschänke“ den Gaststättenbetrieb ein. Viele Jahre war sie dann Domizil der 1956 gegründeten und weit über Dresden hinaus bekannten Tanzschule Graf. Bevor selbige 1958 die Räume der „Turnerschänke“ bezog, hatten ihre Kurse in der „Kakadu-Bar“ am Weißen Hirsch stattgefunden. An die Geschichte des 1996 umfassend sanierten einstigen Vereinshauses des „Allgemeinen Turnvereins Dresden-Pieschen“ erinnern heute noch das Turnerkreuz, der Turnerspruch und ein Konterfei des Turnvaters Jahn.

Der beste Barren der Welt

Am 1.Mai 1902 wurde der Haltepunkt Trachau mit zwei Außenbahnsteigen und Empfangsgebäude in einfachster Bauweise für starken Vorortverkehr von täglich 20 haltenden Zügen eingeweiht und feierlich übergeben. Die zum Haltepunkt angelegte Straße erhielt den Namen Bahnhofstraße und wurde erst 1953 in Am Trachauer Bahnhof umbenannt. In direkter Nähe zum Haltepunkt Trachau hatte sich 1903/04 der Leipziger Turngerätefabrikant Robert Hermann Fechner eine Villa und wenig später ein Fabrikgebäude errichten lassen.

Dieser Umstand erklärt auch das Turnerkreuz im Zaunfeld des Grundstücks. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 1918 wurden hier Turngeräte hergestellt. Dazu gehörte auch der „beste Barren der Welt“ – so hatte Robert Hermann Fechner im Jahrbuch der Turnkunst (1909) sein eisernes Gerät angeboten. Heute ist das ehemalige Fabrikgebäude Teil des 1999 eröffneten Nahversorgungszentrums „Am Trachauer Bahnhof“, und die Villa wird von einer Kinder- und Jugendärztin, einer Logopädin sowie einer Ergotherapeutin genutzt.

Brendler’s Geschichten ist eine Serie, in der Klaus Brendler für das Onlinejournal Pieschen Aktuell in loser Folge an Orte, Ereignisse und Personen im Ortsamtsbereich Pieschen erinnert. Der Stadtteilhistoriker und Autor ist Vorsitzender des Vereins „Dresdner Geschichtsmarkt“ und Leiter der „Geschichtswerkstatt Dresden-Nordwest“. Er lebt in Dresden-Trachau.

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