„Rickeracke! Rickeracke! Geht die Mühle mit Geknacke.“ Diese Zeilen findet man in „Max und Moritz“, der 1865 erstmals veröffentlichten Bildergeschichte des Dichters und Malers Wilhelm Busch (1832-1908). Sicher ist das ein etwas konstruierter Einstieg für die Windmühlen-Geschichten, aber der Geburtstag Wilhelm Buschs hatte sich am 15. April zum 185. Male gejährt und außerdem endet das Leben der beiden bösen Buben Max und Moritz in einer Mühle. Ob sie nun in einer hölzernen Bockwindmühle oder einem steinernen Holländer zu Schrot vermahlen wurden, sei dahingestellt und auch, wo die Mühle stand. Möglich wäre Niedersachsen, denn dort, in Wiedensahl, wurde Wilhelm Busch geboren.
In Sachsen jedenfalls drehten sich Ausgang des 19. Jahrhunderts die Flügel von fast 200 Mühlen. Das waren in Dresden und seiner näheren Umgebung unter anderem die Windmühlen in Rähnitz (bis 1900), in Gohlis und Leutewitz (beide bis 1914) sowie in Moritzburg (bis 1915). Die Mühlen in Boxdorf und Reichenberg, in Pieschen, Trachau und Mickten waren abgebrannt oder abgerissen beziehungsweise hatten ihren Betrieb schon früher eingestellt.
Die Trachauer Bockwindmühle stand am nördlichen Dorfausgang an der seit 1839 von Dresden nach Leipzig führenden Ferneisenbahnlinie und in direkter Nähe zum ersten Trachauer Schulhaus aus dem Jahre 1873. Ihr Erbauer war der am 25. November 1821 im Vorwerk Baselitz (b. Priestewitz) als Sohn eines Windmüllers geborene Karl Friedrich Trentzsch. Er hatte den Beruf des Vaters erlernt und sich als Geselle in verschiedenen Mühlen des Meißner Hochlandes verdingt. Um 1845 arbeitete er auch auf der Boxdorfer Windmühle, die 1839 als Bockwindmühle erbaut wurde.
Nach Boxdorf brachten auch die Trachauer Bauern ihr Getreide. Die Legende berichtet, dass Ortsrichter Findeisen dem Müllerburschen Trentzsch vorgeschlagen hatte, eine Mühle in Trachau zu bauen. Dieser habe zugestimmt, seinen Dienst in der Boxdorfer Windmühle aufzukündigen und sich das notwendige Startkapital an der Mühle in Lercha (1928 nach Meißen eingemeindet) zu verdienen.
Wie dem auch sei! Urkundlich belegt ist, dass am 4. April 1848 der Gemeinderat zu Trachau dem Gesuch des jungen Windmüllers Trentzsch zum Bau einer Windmühle im Dorf zugestimmt und das Sächsische Finanzministerium im gleichen Monat die Konzession dafür erteilt hatte. Zwei Jahre später konnten die Trachauer Bauern ihr Getreide in eigener Mühle zu Mehl vermahlen lassen. Die Windmühle und das unweit davon gelegene Wohnhaus des Müllers verkaufte Karl Friedrich Trentzsch am 15. Februar 1853 für 2.000 Taler an den Trachauer Karl Traugott Göthel.
In den frühen Morgenstunden des 16. Januar 1878 brannte die Mühle völlig nieder. Im Nachlass des bis zu seinem Tode in Trachau wohnhaften Verwaltungsbeamten Bernhard Rackwitz (1883-1976) befindet sich eine von ihm am 26. Dezember 1955 verfertigte Aufzeichnung:
„Das Feuer wurde zuerst von zwei Blockwärtern bemerkt, die an der nahe vorüberführenden Eisenbahnlinie Nachtdienst hatten. Als sie gegen halb zwei Uhr morgens aus dem Blockhause traten, um die Bahnstrecke zu begehen, sahen sie das Dach bereits in hellen Flammen stehen. Sie weckten sofort den Müller Göthel in seinem Wohnhause und schlugen Feueralarm im Dorfe. Als der damalige Gemeindevorstand Mildner (1838-1906) an der Brandstelle erschien, stand die Mühle schon über und über in Flammen. Weder die Ortsspritze von Trachau, noch die Spritze der Gemeinde Pieschen konnten gegen den Brand etwas ausrichten. […] Es war eine Bockwindmühle mit vorherrschend hölzernem Mühlenzeug, dessen Selbstentzündung infolge der Reibung des Wellhalses als Brandursache vermutet wurde.“
Die Mühle war nicht versichert und ein Wiederaufbau kam nicht in Betracht. Das vom Feuer verschont gebliebene Müllerhaus war noch bis in die 1950er Jahre bewohnt, dann musste es dem Wohnungsneubau der am 24. März 1954 gegründeten Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft (AWG) des VEB TuR Dresden-Übigau weichen.
Im Jahre 1856 baute Karl Friedrich Trentzsch seine erste Windmühle auf Pieschener Flur. 1867 musste sie dem Eisenbahnerweiterungsbau Platz machen. Sie stand dort, wo sich das 1868/69 in Betrieb genommene und vor etwa fünf Jahren (2011/12) abgerissene Gebäude des Pieschener Maschinenbahnhofs befand.
Eine zweite Windmühle, etwa zeitgleich wie die erste gebaut und ebenfalls ein „Holländer“, stand am heutigen Leisniger Platz. Bis 1877 verrichtete sie „ihren Dienst“, fünf Jahre später wurde sie abgerissen. Der Hügel im Hofe des Hauses Leisniger Platz Nr.1 ist noch sichtbar.
Schon 1872 hatte Karl Friedrich Trentzsch die zuletzt genannte Mühle verkauft und ein kleines Grundstück in Kaditz erworben. Auf ihm baute er sich ein Haus und eröffnete darin eine Gaststätte. Heute steht hier das Theaterhaus „Rudi“. Trentzsch starb am 2. Februar 1887. Im Sterberegister der Kaditzer Emmauskirche steht unter der Nr. 16 des Jahres 1887: „Trentzsch, Karl Friedrich, Restaurateur und Ehemann, am 2 .Februar 1887, 1/2 9 Uhr vormittags im Alter von 65 Jahren, 2 Monaten und 8 Tagen gestorben. Er hinterläßt eine Ehefrau, drei Söhne und fünf Töchter.“ Das Begräbnis fand am 5.Februar 1887 statt, das Grab ist nicht mehr vorhanden. Den Namen des Müllers und Windmühlenbauers trägt seit dem 27. September 1935 der Verbindungsweg zwischen Halley- und Steinheilstraße in Dresden-Trachau.
Bleibt festzustellen: Die Trachauer Bockwindmühle brannte nieder und die beiden Pieschener „Holländer“ wurden abgerissen. Nur die um 1865 erbaute Micktener Windmühle, konkret deren Mühlenturm, steht noch im Grundstück Kötzschenbroder Straße Nr.9. (Siehe Titelbild). Die Windmühlen in Boxdorf, Gohlis und Leutewitz sind als Kulturdenkmal, zum Teil mit Gaststättenbetrieb, erhalten und stehen auf der Liste der etwa 1.000 historischen Wind- und Wassermühlen Deutschlands.
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