„Emilie!!!! Loooos! Gib Gas!“, schallt es aus etwa 20 Kinderkehlen übers Wasser. In puncto Lautstärke sind die Kanuten vom Dresdner Wassersportverein „Am Blauen Wunder“ bei diesem Wettkampf klare Sieger. Doch darum ging es bei der 9. Pieschener Hafenregatta am Sonnabend natürlich nicht, sondern um Schnelligkeit, Kraft und Bootsbeherrschung.
Das bewiesen rund 70 sächsische Kinder beim Sprintrennen und dem Geschicklichkeitsparcours im Hafenbecken an der Leipziger Straße. Zwei Mal paddelten die Acht- bis Zwölfjährigen knapp 200 Meter von der Molenbrücke ins Hafeninnere, ein Mal mussten sie den Parcours mit Drehung und Rückwärtsfahrstrecke bewältigen. Dazu noch der Wind im Hafenbecken, ergänzt Steffen Illig, Abteilungsleiter Kanu beim Wettkampfveranstalter TSV Rotation. „Der macht es für manche Kinder schwierig, sich am Start gerade hinzustellen.“
Kenter-Enten als Trostpreis
Nicht bei allen klappte das „trockenen Fußes“. Der zehnjährige Felix von Rotation ging gleich zwei Mal baden. „Das erste Mal bin ich noch vorm Start reingefallen“, erzählt er. „Ja, weil ihr rumgekaspert habt“, mischt sich seine Mama mit nicht ganz ernst gemeinter Strenge ein. Der Sohnemann protestiert: Nein, das habe an den Bojen und dem Abstand zum Ufer gelegen. „Und beim zweiten Mal bin ich beim Parcours an der Boje gekentert, weil ich vom ersten Mal noch Wasser im Boot hatte und das auf die Seite geschwappt ist.“ Dafür gab’s eine „Kenter-Ente“. Die gelbe Gummifigur bekommt jeder Teilnehmer als Trost, der während des Rennens mit seinem Boot umkippt. Felix nimmt’s gelassen. Um sich zu ärgern, mag er den Kanurennsport viel zu sehr. Beim Rudern auf dem Carolasee sei er damals auf den Geschmack gekommen, erzählt er. Inzwischen paddelt Felix seit vier Jahren, hat Muckis am ganzen Körper bekommen, wie die Mama stolz anmerkt, und ist ein echter Experte. Fachmännisch erklärt er im Bootshaus die verschiedenen Bootstypen von „Rostocker“ über „Schüler“ bis „Neumann“. „Am Anfang lernt man mit einem Wanderboot, die sind ziemlich stabil, da kippt man kaum um. Erst später steigt man dann in ein Sportboot“, erzählt Felix. Das Problem am Kentern im Pieschener Hafenbecken sei übrigens, dass man zwar stehen könne, „aber der Boden ist relativ glitschig, man versinkt“.
Eine kipplige Angelegenheit
Ein wahrer Kenter-Profi ist Carlos. Gezwungenermaßen, denn der Zwölfjährige fährt Canadier. Eine äußerst wacklige Sache ist das: Mit einem Bein kniet er im Boot auf einem eigens geformten Schaumstoffstück, dem „Knieblock“, das andere steht davor. „Das braucht große Balance.“ Als er vor sechs Jahren die ersten Male in das kipplige Boot gestiegen ist, sei er „eigentlich aller zehn Sekunden ins Wasser gefallen“. Wie das Elbwasser schmeckt, weiß aber auch Carlos nicht zu sagen. „Wir haben ja Schwimmwesten an, da taucht man selten mit dem Kopf unter.“ Etwa ein halbes Jahr habe es gedauert, bis er sich in seinem Gefährt halten konnte. Inzwischen steuert das ehrgeizige Nachwuchstalent sein schmales Boot gekonnt übers Wasser und betreibt den Rennsport leistungsmäßig. Im kommenden Schuljahr wechselt Carlos an die Dresdner Sportschule. „Canadier ist schwerer und anstrengender, aber es macht mir mehr Spaß als Kanu.“
Dass die jungen Wassersportler Freude haben an ihrem Hobby und bei der Pieschener Regatta, ist nicht zu übersehen. Sie kennen sich untereinander, alle Wettkämpfe haben nahezu Familienfest-Charakter. Die Eltern verwöhnen die jungen Sportler mit Nudeln, Chili con Carne und zig Sorten Kuchen, die kleinen Geschwister toben auf dem Wettkampfgelände herum, und Oma und Opa kommen mit dem „Glücksschwein“ (das eigentlich ein Hund ist) zum Zuschauen und Anfeuern vorbei. „Die Kinder zelten fast jedes Wochenende an einem anderen Gewässer, können sich draußen bewegen, machen abends Lagerfeuer“, schwärmt eine Mutti. „Das ist wirklich super.“
Die Mannschaftswertung entschied am Sonnabend der TSV Rotation für sich. Die Plätze 2 und 3 erkämpften sich zwei weitere Dresdner Klubs: der Wassersportverein „Am Blauen Wunder“ und der Verein Kanusport Dresden.
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