Zuallererst muss ich zugeben: ich bin befangen. Die Objektivität möchte ich sehen, die angesichts der Eistruhe von Madame Nepple nicht in sich zusammen schmilzt. Man glaubt wieder an Schlaraffenland und Knusperhäuschen, schweift der Blick über die cremigen und mit Fruchtsoßen überkleckerten Speiseeis-Massive – und Kalorien sind die böse Hexe, die schon lange im Ofen brät. Sieht man den Elan und den Geschäftssinn, mit dem Annette Nepple ihre Produktion seit 8 Jahren in Dresden betreibt, geht ihr Nachname, der klingt wie ein gläsernes Dessertschüsselchen, glatt als Fügung durch.
Obwohl der Sommer gerade erst aus den Startlöchern zu kommen scheint, ist der Klimax der Eissaison schon fast überschritten. Für Annette Nepple, ihre Tochter Alina und ihre Konditorin Anne Naumann heißt das nicht weniger Arbeit, aber weniger Hektik. Ihre Mitarbeiterinnen nennt Annette ihre „Perlen“. Sie nehmen Lieferungen an und bedienen Gäste, während die Chefin sich Zeit für ein Interview nimmt.
Seit 21 Jahren lebt die geschäftstüchtige Eisherstellerin in Sachsen. Ein Gruß aus ihrer Heimat, dem Südschwarzwald, hängt über der Eingangstür: eine hölzerne Kuckucksuhr mit Zapfen. Lange Jahre betrieb sie ein kleines Café in Grimma, das von der Jahrtausendflut weggespült wurde. Ein prägendes Erlebnis, dem ein kompletter Neuanfang folgte. Annette Nepple setzte auf Eis. Sie ließ sich zur staatlich geprüften Speiseeisherstellerin ausbilden. Das Zertifikat prangt großformatig an ihrem Tresen. „Ich zelebrier das halt“, sagt sie kokett. Das sei erlaubt, denn ihr Neustart kostete sie einige Federn.
„Ich hab‘ richtig auf die Nüsse gekriegt“, gesteht sie lachend. Sie zog von Grimma nach Dresden und baute hier ihre Eisproduktion auf, ohne Kontakte oder bestehende Kundschaft. „Ziemlich naiv“ kommt ihr das im Nachhinein vor. „So bin ich in den Winter reingerauscht“ – als junges Eis-Unternehmen in einer neuen Stadt, in „C-Lage“, wie sie es beschreibt. Aber sie schaffte es und der Erfolg adelt ihre vermeintliche Naivität zum Mut der Verzweiflung.
Gleich nebenan wird das Eis produziert, dessen ungewöhnliche Geschmacksrichtungen Chefin und „Perle“ Anne austüfteln. Erdnusseis mit Salzbrezeln zum Beispiel. „Die Leute hat’s total verwirrt“, erzählt Nepple. Ihre Kreationen verkauft sie in großen Märkten wie Kaufland, Edeka und Rewe. „Lieber würde ich mehr für die Gastro liefern.“ Sie selbst ist wohl der größte Fan ihres Eises. „Ich könnte mich da reinlegen!“, gesteht sie. Das sehen Kritiker genauso. Auf Eiswettbewerben sahnt sie regelmäßig ab. Die Handwerkskammer erteilte ihr vor Kurzem den Auftrag, ein Eis für den Dänischen Botschafter zu kreieren.
Hinter den Preisen für Pralinen, Eis am Stiel und Eistorte steht Annette Nepple. „Ein anderer Preis ergäbe bei der Qualität keinen Sinn“, sagt sie. In der ‚Eishalle‘ stehen Maschinen im Wert eines Einfamilienhauses, denn was Madame Nepple anpackt, macht sie richtig. Ihre Milch bezieht sie vom Landgut Nemt in Wurzen. „Wenn ich den Eimer öffne, riecht es nach Wiese, das ist der Wahnsinn.“ Speiseeis aus Fertigpulver und Wasser mixen? „Das ist das Barbarischste, was es am Eismachen gibt.“ Kunden dächten oft, dunkles Schoko-Eis enthalte echte Schokolade. Das Gegenteil ist der Fall. „Je mehr echte Milch, Sahne und Kakao so ein Eis enthält, desto heller ist es.“
Seit einem Monat hilft Tochter Alina mit aus. Sie möchte, sagt sie, ihrer Mutter etwas von dem zurückgeben, was sie ihr über die Jahre gegeben hat. „Ich habe großen Respekt vor meiner Mum.“ Ich für meinen Teil zelebriere heute auch – und gönne mir einen Doppelkeks, gefüllt mit Eisparfait und umhüllt mit Schoki am Stiel. Zum Mittag!
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