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Mohnstraße 1: Einstiges Soziokultur-Haus wird schick saniert

Eines der letzten unsanierten und schon lange leerstehenden Häuser in Pieschen wird derzeit restauriert. Das markante Eckhaus Mohnstraße 1, erstes Domizil und Namensgeber des „Emmers“, soll nach der Generalüberholung in altem Glanz erstrahlen und seinem Status als Kulturdenkmal alle Ehre machen. Insgesamt 16 Eigentumswohnungen will Unternehmer Uwe Werwach von der Innovativen Immobiliengesellschaft Dresden (IIG) schaffen. Laut Exposé auf der Firmenwebsite sind die Ein- bis Dreiraumwohnungen zwischen 40 und 80 Quadratmeter groß.

Mohnstraße 1 dach

Jetzt wird vom Dach bis in den Keller gearbeitet. Foto: W. Schenk

Die Wohnungen werden eine gehobene Ausstattung aufweisen, beispielsweise über eine Fußbodenheizung verfügen. Pro Etage erhalten zwei Wohnungen einen kleinen Balkon zum Mini-Innenhof. Zudem bekommt das viergeschossige Haus einen Aufzug. Das Dach mit dem kleinen Türmchen an der Stirnseite wird erneuert und die Fassade vom Dreck der vergangenen Jahrzehnte befreit, sodass die Klinker wieder in gelb und rot leuchten. Voraussichtlich im Herbst soll die Sanierung abgeschlossen sein. Dann wären die Arbeiten in einem knappen Jahr über die Bühne gegangen – im November 2016 hatte nämlich die Entkernung begonnen.

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Über den Winter entkernten Arbeiter das Gebäude. Foto: T. Tröger

Bereits im März waren alle Wohnungen an Kapitalanleger aus Dresden und ganz Deutschland verkauft. Die neuen Eigentümer werden aber nicht selbst in der Mohnstraße 1 wohnen, sondern vermieten ihre Appartements. Um die Verwaltung kümmert sich die Firma Mediterran-Immobilien. Etwa 9 bis 10 Euro pro Quadratmeter soll die Kaltmiete betragen, so die Auskunft an potentielle Hausbewohner.

Soziokultur-Haus mit Geschichte

Viele ältere Pieschener werden das Gebäude Mohnstraße 1 sicherlich von innen kennen, diente es doch jahrzehntelang als soziokultureller Treffpunkt im Stadtteil: als Gaststätte, Klubräume für Werktätige und schließlich als Jugendtreff „Emmers“. Seit das Haus in den Jahren 1897/98 errichtet wurde, beherbergte das Erdgeschoss ein Lokal, das „Pieschener Vereinshaus“.

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Hausglocke: So läutete man früher … Foto: T. Tröger

Die Wirte wechselten mehrfach, die Kneipe blieb. In den Obergeschossen wohnten Schneider, Klempner und Steinsetzer, einfache Arbeiter und Händler. In den DDR-Jahren – leider ließ sich bisher nicht herausfinden, seit wann genau – wurde das Erdgeschoss als „Klub der Werktätigen“ genutzt. In den 1980er Jahren kümmerte sich eine alte Dame, die in der ersten Etage des Hauses wohnte, um den Freizeittreff. Als sie wenige Jahre vor der Wende starb, übernahmen nacheinander zwei junge Frauen die Klubleitung und entwickelten ihn zum Kinder- und Jugendtreff „M1“, erinnert sich Otto Bunzel. Der Techniker, Musiker und einstige Stadtkulturzentrum-Coswig-Leiter hatte zunächst Veranstaltungen im „M1“ mitorganisiert und wurde dann in den frühen 90ern vom Jugendamt auf den Chefsessel gesetzt.

Kleinkunst und Commodore-Computer

Das „M1“ hatte für Kinder und Jugendliche in der Woche nachmittags geöffnet. Die Besucher konnten beispielsweise im „Kinder-Computer-Club“ an C64-Rechnern spielen. „Wir hatten sogar eine eigene Zeitung: ‚PiKiPo – Pieschener Kinderpost‘. Darin haben wir unsere Veranstaltungen kundgetan“, erinnert sich Bunzel lachend.

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Die Fassade wurde gereinigt, die frisch verputzten Ziegeln strahlen wieder. Foto: T. Tröger

Die Angebote für Erwachsene standen auf der letzten Seite des Blättchens. „Wir haben Kleinkunst gemacht.“ Die Veranstaltungen durften schließlich nicht zu laut sein, und der Mini-Saal habe die passende Größe gehabt. „Reinhard Fißler hat bei uns solo zur Gitarre gesungen, und der spätere VVO-Chef Knut Ringat war mit seinem Kabarett ’Die Pfefferlinge‘ da“, kramt er in seinen Erinnerungen. Über dem Klub habe Stephan Eberhardt gewohnt, später Sänger der Queen-Coverbands ‘MerQury‘ und ‘The Great Pretender‘; der sei immer mal runter gekommen und habe sich ans Klavier gesetzt. Und Freitagabends gab‘s Filme. Auch Wohngebietsfeste stellten die Leute vom „M1“ auf die Beine, mehrfach gemeinsam mit dem Klub „Pieschener Winkel“ unter Leitung von Heidi Geiler.

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Pro Etage sollen vier hochwertige Wohnungen entstehen. Foto: T. Tröger

Aus der Abkürzung „M1“, auf sächsisch „emm eens“, entwickelte sich der heutige Name „Emmers“ für den Jugendtreff. Nachdem das „Emmers“ 1999 in die Bürgerstraße umgezogen war, wurden die Erdgeschoss-Räume der Mohnstraße 1 noch eine Zeitlang an Künstler vermietet. Schließlich aber stand das Haus jahrelang leer.

Erinnerungen gesucht

Wer die Mohnstraße 1 früher besucht hat – sei es, um ein Bierchen zu zischen, den Klub der Werktätigen zu besuchen oder sich mit anderen Jugendlichen zu treffen –, der kann sich gern an die Redaktion von „Pieschen aktuell“ wenden und seine Erinnerungen erzählen. Wir freuen uns auf Anekdoten und Fotos aus vergangenen Zeiten!

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2 Meinungen zu “Mohnstraße 1: Einstiges Soziokultur-Haus wird schick saniert

  1. Brendler sagt:

    In den1950er und 1960er Jahren fanden im „Pieschener Vereinshaus“ auch die monatlichen Zusammenkünfte des heutigen „Touristenclub Frankensteiner“ statt.
    Am 3. Juni 1910 hatten ihn sechs junge Männer als Wander- und Kletterklub in der damals stadtnahen Gemeinde Wilschdorf gegründet. Gründungsort war der „Alte Graf“, ein Gasthaus, welches schon um 1880 in der Dorfgeschichte erwähnt wird.
    Der „Touristenclub Frankensteiner“ gehört zu den fünfzehn Kletterklubs und Wandervereinen, die sich 1911 in Dresden zum Sächsischen Bergsteigerbund zusammenschlossen. –Trachauer-

  2. Jub sagt:

    Es wird beim Präteritum bleiben: „In den Obergeschossen wohnten Schneider, Klempner und Steinsetzer, einfache Arbeiter und Händler.“ Die Meisten diese Art von „Werktätigen“ werden sich das Haus kaum noch leisten können.

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